ALICE ECHOLS: "JANIS JOPLIN"

"Live fast, love hard, die young!" Wohl kaum jemand hat dieses Motto der Rockszene so sinnbildlich und mit letzter Konsequenz umgesetzt wie Janis Joplin, die aufsässige Bluesröhre. Am 4. Oktober 1970, zwei Wochen nach dem ähnlich wilden Jimi Hendrix, beendete ein vermutlich ungewollter 'goldener Schuss' ihr Leben.

Und sie starb reich aber einsam und allein in einem Hotelzimmer in Los Angeles, ganze 23 Jahre alt. Dabei war dieses Jahr 1970 ihre Blütezeit und es entstand ihr erfolgreichstes Album "Pearl". Dennoch passte die Art des Sterbens zu ihrem unablässigen Kummer, ihrem ständigen Gefühl, nicht geliebt zu werden. Das wiederum dieses Lebensprinzip des Leichtsinns, aber auch das Herausschreien der Einsamnkeit mit dem Blues als gnadenlosem Angriff verständlich macht.

Alice Echols hat das kurze schillernde Leben der raketenhaft aufgestiegenen Pop-Ikone nicht einfach nachgezeichnet. Die Historikerin und Expertin für die 60er Jahre mit all ihren Umbrüchen hat aus über 150 Interviews mit Zeitzeugen ein Mosaik einer ebenso charismatischen wie in sich zerrissenen Künstlerin zusammensetzen können, die zu Unrecht schon wenige Jahre nach ihrem Tod für lange Zeit weitgehend in Vergessenheit geriet.

Diese Biografie "Janis Joplin – Piece of my Heart" ist mehr als nur die überwiegend romanhaft spannende Schilderung eines Lebens, sie ist ein kulturgeschichtlicher Blick hinter die Kulissen jenes Amerikas zu Zeiten des Jugendaufbegehrens, der Hippie-Ära, des Vietnamkrieges. Da ist dieses ursprünglich brave Mädchen aus der texanischen Industriestadt, das mit mit 14 vom Schicksal mit schwerer Akne gebeutelt wird. Das auf die Hänseleien als hässliches Entchen jedoch aggressiv und rebellisch reagiert.

Sie treibt sich herum, sie flucht, begehrt auf – schmuddelig, komplex auch später nicht sonderlich attraktiv. Und fällt 1963 erstmals mit ihrer Rollsplitstimme auf, mit der sie berühmte Bluessängerinnen wie Bessie Smith und Odetta gekonnt nachmacht. Ihre wahre Bedeutung bekommt sie dann ab etwa 1967, denn als Frontfrau verschiedener Rockbands verfolgt sie den absolut maskulinen Grundsatz von "Sex & Drugs & Rock 'n' Roll".

Sie kleidet sich herausfordernd, lässt sich als nacktes Hippie-Pin-up fotografieren, sie säuft, wirft Drogen ein und hurt herum wie die wildesten Rockmusiker – emanzipierten Freiheiten der Frauenbewegung späterer Jahrzehnte weit vorausgreifend. Ihr Männerverschleiß ist legendär, obwohl sie für zärtlichere Beziehungen schon seit Schülerzeiten das eigene Geschlecht bevorzugt. Und sie leidet unter der Zerrissenheit zwischen Ungebundenheit, Haltlosigkeit und einer immer wieder verdrängten Sehnsucht nach ein wenig Normalität.

Janis Joplin war eine Naturgewalt, ein Superstar vor allem auf der Bühne, doch Ruhm und Heroin, Sex und Alkohol konnten ihre gähnende Leere und Einsamkeit nicht füllen. – Alice Echols Biografie macht Janis Joplin menschlicher, begreifbarer, wird ihrer Bedeutung gerechter. Sie wahrt bei aller Nähe die nötige Sachlichkeit wahrt und beschönigt auch nichts von diesem glorreich elenden Leben. Man muss kein Fan der Rocklegende sein, um von diesen tiefgründigen Schilderungen eines bewegten kurzen Künstlerlebens gefesselt zu sein. 

 

# Alice Echols: Janis Joplin – Piece of my Heart (aus d. Amerikanischen von Ekkehard Rolle); 557 Seiten; div. s/w-Abb.; Wolfgang Krüger Verlag, Frankfurt; 49,89 DM

(öS 364,-/sFr 46,00/€ 25,51) WOLFGANG A. NIEMANN  (wan/JULIUS)

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