BARBARA ESSER: "SAG BEIM ABSCHIED LEISE SERVUS"

"Sag beim Abschied leise Servus" ist entgegen des Titels keine rühselige Schnulze sondern vielmehr ein ebenso bewegender wie interessanter biografischer Roman. Barbara Esser hat ihn nach den Erinnerungen ihrer Großtante Ilse Tysh verfasst, der Witwe des Librettisten Fred Tysh.

Wenn selbst Kenner der leichten Muse nicht wissen, dass der titelgebende Schlager seinen Text aus der Feder dieses Doktors der Jurisprudenz hatte, so ist das verständlich aus der unheilvollen Geschichte jener Zeit heraus. Es war 1934, als Peter Kreuder den Schlager komponierte, doch da hatte bereits die Machtergreifung der Nazis im Deutschen Reich für die grassierende Ausmerzung aller jüdischen Einflüsse auf die Kunstszene durchgeschlagen.

Siegfried Tisch mit Geburtsnamen Salomon lebte zwar in Wien, doch sollte der Schlager im deutschsprachigen Raum ungehindert sein Millionenpublikum finden, also nahm man notgedrungen mit Harry Hilm einen Strohmann als Texter. Tisch und sein Partner Hans Lengsfelder allerdings feierten bis zum "Anschluss" Österreichs in ihrer Heimat rauschende Erfolge mit vielen Liedern und ganzen Operetten. Um so radikaler zertrampelte der deutsche Stechschritt ab 1938 auch in dem bis dahin so amüsierseligen Wien die Kultiviertheit und arisierte die gesamte Kunstszene einschließlich der massiven Enteignung geistigen Eigentums jüdischer Künstler.

Bis ins KZ verschlug es auch den plötzlich verfemten Tisch und dem entkam er quasi todgeweiht ausgerechnet wegen einer schweren Typhuskrankheit. Unter Mühen gelangte er nach London und hier nun setzt die gemeinsame Geschichte mit Ilse Tysh ein, die von ihren jüdischen Eltern schon vorher nach hier in Sicherheit gebracht worden war. Verbunden mit viel menschlichem Leid wegen der Nachrichten über den Holocaust, der sie in der unmittelbaren Familie betrifft, aber auch dem Exil und der Bombennächte entfaltet sich die spannenden Geschichte des entwurzelten Juden, der mit viel Sprachgefühl und Ehrgeiz zum Textdichter Fred S. Tysh wird.

Die Zusammenarbeit mit dem ebenfalls hierher emigrierten Star-Tenor Richard Tauber führt zu großen gemeinsamen Erfolgen, zugleich entsteht das private Glück für Fred und Ilse, deren Leben gleichfalls tiefe Einblicke in die Lebensumstände der jüdischen Emigranten gewährt. Viel Zeit- und Lokalkolorit sorgen zusätzlich für ein detailgenaues Bild jener Zeit, während die Biografie der beiden ebenso einzigartig wie exemplarisch ist. Auch deshalb ist das wunderbar geschriebene Buch mit dem rührseligen Titel so wichtig für uns Nachgeborene.

 

 

# Barbara Esser: Sag beim Abschied leise Servus – Eine Liebe im Exil; 350 Seiten, div. Abb.; Kremayr & Scheriau Verlag, Wien; € 22,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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