ERNST JANDL: "AUS DEM WIRKLICHEN LEBEN"

"was ich will sind gedichte die nicht kalt lassen", sagte Ernst Jandl (1925-2000) schon in den 60er Jahren und diese Forderung hat er als einer der bedeutendsten Neuerer der Lyrik wahrlich erfolgreich umgesetzt. Beharrlich blieb er jedoch bei seiner bereits 1980 lyrisch konstatierten Haltung "daß niemals/er schreiben werde/seine biographie".

Dafür gibt es nun Ersatz, denn nach den letztjährigen "Letzten Gedichten" brachte sein Verlag jetzt mit dem Band "aus dem wirklichen leben" eine Auswahl von Gedichten und Prosa heraus, die ein Gesamtvergnügen mit Einblicken in Werk und Biografie darstellt. Wohl in keinem seiner Bücher ist diese Begegnung von Ernst Jandl mit ebendiesem so witzig, schonungslos, gefühlvoll und stets auch grotesk und hinreißend unterhaltsam in Szene gesetzt worden wie in diesem.

Und es ist allerhand Autobiografisches dabei, angefangen vom altklug ironischen Lebenslauf des Schülers Jandl zu Nazi-Zeiten bis hin zum beklemmenden späten Gedicht vom alternden Dichter, dessen letzte Zeile seine depressive Neigung überdeutlich werden lässt: "mir ist so bang". Früh finden sich die oft galligen Hinweise auf eine Kindheit und Jugend, die offenbar zur Verklärung wenig Anlass boten. Da wird in "legende" schon 1964 mit Entsetzen Scherz getrieben, um es 20 Jahre auszuspeien: "mutters früher tod/hat mich zum zweiten mal geboren".

Überall lauern Querverweise auf Einsamkeit und Selbsthass, sei es in Prosapassagen, sei es in Gedichten, die weh tun. Doch ebenso deutlich wie die Bekenntnisse eines wenig glücklichen und selten wirklich lebensbejahenden Menschen sind die frühen Hinwendungen zur Groteske und zum Esperiment, die er radikal, wütend und immer wieder auch mit tiefschwarzem Humor und einer wahren Lust zur Provokation betrieb.

"ich lebe mit mir allein....und ich hasse mich", sagte Jandl schon 1978 über Jandl. Dabei hatte er solch großen Erfolg, denn seine Gedichte lassen noch heute niemanden kalt.

 

# Ernst Jandl: Aus dem wirklichen Leben – Gedichte und Prosa (herausgegeben von Klaus Siblewski); 192 Seiten; Sammlung Luchterhand, München; € 10,50

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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