BERNHARD AICHNER: YOKO
Eine alte Hollywood-Regel besagt, ein Film sollte mit einer spektakulären Explosion
starten und sich dann langsam steigern. In etwa diesem Prinzip folgend, beginnt Bernhard
Aichners jüngster Roman Yoko.
Die Titelheldin will einem malträtierten Hund helfen, doch seine Peiniger, zwei
schnöselige Chinesen, bringen erst das Tier um und entführen dann die Störerin zwecks
angekündigter Vergewaltigung in deren eigenem Lieferwagen in den Wald. Und sie muss froh
sein, dass die Kerle sie danach liegen lassen und nur das Auto abfackeln.
Doch früh schon setzt der österreichische Erfolgsautor seine Meisterschaft der
raffinierten Dramaturgie ein, um nun erst einmal in dosierten Schritten das 28-jährige
Opfer vorzustellen. Ihre Mutter war bei ihrer Geburt gestorben und so wuchs sie ganz in
der Obhut von Vater Franz auf, dem selbständigen Metzgermeister mit dem Faible für John
Lennon.
Und die Tochter nach Lennons großer Liebe Yoko Ono benannt bleibt bei ihm
und lässt sich trotz Abitur zur Metzgerin ausbilden. Um das Geschäft auch
weiterzuführen, als er auf Jahre mit Krebs dahinsiecht. Nach seinem Tod schafft sie einen
Neuanfang, indem sie den Betrieb auf eine Glückskeksmanufaktur umstellt.
Zwei Jahre meinte es das Leben gut mit ihr. Nun aber zerbricht sie schier
unter dem Trauma. Nur mühsam gelingt es Maren, ihrer zehn Jahre älteren Geliebten, sie
ins Leben zurückzuholen. Yoko weigert sich jedoch beharrlich, Anzeige zu erstatten, denn
die Typen wissen, wer sie ist. Und sie hatten Schlimmstes angedroht.
Doch die Polizei kommt ohnehin wegen des Autowracks zu ihr. Es gelingt Yoko, geschickt
genug zu lügen, und sie nutzt die Sympathie von Kommissar Richard, dem einstigen engsten
Freund ihres Vaters, zu noch mehr: die Adressen der beiden Täter zu bekommen. Die, wie
sie vermutet hatte, als Schutzgelderpresser in dem China-Lokal waren, das sie am Tattag
gerade belieferte.
Richard ahnt etwas und warnt sie vor jeglichem Kontakt zur Chinesen-Mafia. Doch es bohrt
zu sehr in Yoko, brennende Rachegelüste: Dieses dumpfe Dröhnen in sich zum
Verstummen zu bringen. Als ihr dank ihrer Messerfertigkeiten aus der Metzger-Zeit
ein erster Racheakt gelingt, empfindet sie ein seltsame Befriedigung.
Die jedoch blankem Entsetzen weicht, als im Gegenzug die geliebte Maren grausig dafür
bezahlen muss. Und die tödliche Spirale kommt gerade erst ins Rotieren. Dennoch:
Sie wird alle bestrafen. Nichts mehr sonst bringt Erlösung. Längst ist
inzwischen aus dem Krimi der angekündigte Thriller geworden, der zudem ungeahnte
Dimensionen annimmt.
Souverän verschachtelt, eröffnen sich immer tiefere Erkenntnisse, die Yokos Weg von der
Geschundenen zur Rachegöttin verständlich werden lassen. Zumal es bereits ein früheres
Trauma in ihren Leben gab, das sich langsam ins Bild fügt.
Doch es verbietet sich, zu viel von diesem vielschichtigen Geschehen mit den exzellenten
Charakterzeichnungen und den gewieften Wendungen zu verraten. Bleibt festzustellen:
geboten werden große Klasse, Hochspannung und psychologische Tiefe. Wegen einiger harter
Szenen allerdings nichts für Zartbesaitete.
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