TOBIAS ESCHER: „DIE WELTMEISTER VON BERN“


An diesem 4. Juli jährt sich zum 70. Mal ein Ereignis, das nicht nur Fußballgeschichte schrieb: die deutsche Fußballnationalmannschaft gewann die Weltmeisterschaft mit 3:2 gegen die sogenannte Wundermannschaft Ungarns.
Mit Tobias Escher widmet sich aus diesem Anlass einer der besten deutschsprachigen Sportjournalisten dieser damals für unmöglich gehaltenen Sensation. „Die Weltmeister von Bern“ lautet der Titel und nicht von ungefähr verspricht der Untertitel die „Biografie einer Jahrhundertmannschaft“.
Dazu gehört natürlich auch der Vorlauf bis zur Bildung dieser Elf und der preisgekrönte Autor geht auf die anderen Spieler ebenso ein wie auf die Zeit nach dem Triumph. Um nicht auszuufern werden mit Fritz und Ottmar Walter sowie Helmut Rahn drei zentrale Spieler ausführlicher in den Fokus gestellt.
Vor allem aber erfährt man bis in teils skurrilen Details auch alles Wichtige von dem Mann, der die unvergessene Mannschaft erschuf: Bundestrainer Sepp Herberger. Wie diese autoritäre Vaterfigur das Team zusammensuchte, mit welchen Finessen er taktierte, um die 22 erwachsenen Männer – allesamt noch vom Krieg und dort oft sehr intensiven Erfahrungen geprägt – zu einer verschworenen und bestens funktionierenden Einheit zusammenzuschweißen, das ist noch heute bewundernswert.
Noch einmal wird deutlich, aus welch schwierigen Bedingungen heraus allein schon die Teambildung aus einem kriegsmüden West-Deutschland ohne Profi-Ligen erfolgen musste und wie Herberger sogar gegen allerlei Widerstände eine Blockbildung mit fünf Spielern des 1. FC Kaiserslautern durchsetzte, obwohl diese Spitzenmannschaft gerade krachend die Meisterschaft 1954 mit 1:5 gegen Hannover 96 verloren hatte.
Noch einmal wird „der Geist von Spiez“ beschworen, dem Schweizer Teamhotel am Thuner See. Auch hier wieder allerlei Feinheiten Herberger'scher Pädagogik mit den berühmten Einzelgesprächen. Vor allem aber dann seine taktischen Tricks, die den Außenseiter Deutschland ins Endspiel an jenem verregneten 4. Juli 1954 im Berner Wankdorf-Stadion brachten.
„Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt. - Toor! Toor! Toor!“ Wer kennt diese völlig ausrastende Radio-Berichterstattung nicht. Das legendäre Wunder von Bern in allen Details bis hin zu den berüchtigten Spritzen gegen Gelbsucht, die etliche Spieler krank werden ließen. Und auch sonst geht Tobias Escher darauf ein, was der Triumph aus den plötzlichen Volkshelden machte.
Einige kamen mit dem Ruhm nicht zurecht und die meisten wurden auch nicht sehr alt. Die Walter-Brüder und Rahn spielten 1958 noch eine Weltmeisterschaft und „Boss Rahn“ hatte trotz vieler Eskapaden sogar noch eine kurze Karriere in der 1963 endlich gegründeten Bundesliga.
Das Buch gewährt darüber hinaus auch Einblicke in die Turbulenzen, in die die geschlagene Wundermannschaft bis zum Ungarn-Aufstand im Herbst 1956 geriet. Und die intensiven Recherchen haben auch manch Privates und eine Menge Anekdoten zutage gefördert. - Fazit: ein rundum spannendes und aufschlussreiches Buch zum unvergessenen Thema.

# Tobias Escher: Die Weltmeister von Bern. Biografie einer Jahrhundertmannschaft; 425 Seiten, div. SW-Abb., Klappenbroschur; Rowohlt Polaris, Hamburg; € 20

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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