ALESSANDRA MATTANZA: NEW
STREET ARTISTS
Street Art mit ihrem unübersehbaren sogenannten Murals, die ganze Hochhauswände oder
großflächige Mauern verziert, ist ein Phänomen, das in Metropolen und Städten weltweit
längst aus der Illegalität in die anerkannte Kunstwelt hineingewachsen ist.
Und diese künstlerischen Herausforderungen mit Stars wie Banksy finden nicht nur auch
Dank ihrer Provokationen Anerkennung, manche der Künstler erzielen inzwischen exorbitante
Preise. Um so interessanter ist da ein Kompendium, mit dem sich Alessandra Mattanza erneut
diesem Thema widmet.
New Street Artists lautet die Überschrift und der Untertitel verrät das
eigentliche Anliegen: 24 Künstler:innen, deren Namen man sich merken sollte.
Da sollte man sich auch nicht von dem unverständlichen Missgriff des Verlages mit dem
hässlichen grauen Cover abschrecken lassen, der dem ebenso fantasievollen wie innovativen
Inhalt voller Ideen und Farben so gar nicht gerecht wird.
Mit sehr persönlichen Reportagen und einer faszinierenden Fülle jeweils beispielhafter
Ablichtungen lässt dieses Füllhorn der Kreativität Anliegen, Intentionen und
Schaffensweise der Porträtierten erkennen. Manche Motive zielen thematisch plakativ auf
Rassismus und Kapitalismus ab, doch immer wieder wird deutlich, dass diesen Künstler und
Aktivisten sich politisch nicht vereinnahmen lassen.
Zugleich wirken auch ihre bunten, kraftvollen Werke als optische Explosionen, die man im
öffentlichen Raum nicht ignorieren kann: ihre Botschaften dringen ein. Das gehe weit
über die schlichte Absicht des Verschönerns hinaus, denn diese weltweit agierenden
Künstler seien beseelt von Energie, Kraft, Innovation, Originalität und ihrem
Glauben daran, dass die Kunst die Welt verändern kann. Und sie bleiben dabei stets
unkalkulierbar, jedoch positiv und konstruktiv.
Wie Aduate mit seinen Arbeiten, die unerschütterlich indigene Kulturen verteidigen. Oder
Blesea, wenn da statt glatter Werbegesichtern an den Hauswänden ein nachdenklicher
Kingkong zum Sinnieren anregt. Da wird Okuda San Miguel vorgestellt, der vom Geist der
Farben und von Experimenten mit geometrischen Formen zu spektakulären kunstfigürlichen
Gebilden angeregt wird.
Noch explosiver reißen Scott Nagy & Krimsone aus Australien hin, denn ihre riesigen
Mauerszenen erzählen mit Elementen von Surrealismus sowie Fauna und Flora Geschichten
voller Farbe und Licht. Wogegen Pflegm eher aufs Rätseln setzt mit illusionistischen
Comics mit bizarren Wesen, aber auch auf skurrile Konstruktionen, die stark an Escher
erinnern.
Waone schwelgt hingegen mit bonbonfarbenen Figuren wie aus dem Bilderbuch in Philosophie
und Fantasie wie auch Natalia Rak. Oft sei sie die einzige Frau auf den großen festivals,
doch auch diese Abenteurerin der Experimente lässt mit viel handwerklichem Geschick und
Organisationstalent Gemälde voller Formen und Farben vor Kreativität bersten.
Und wer da meint, Street Art sei eine kostenträchtige aber eher brotlose Kunst, liegt
ziemlich falsch und Fin DAC 1967 als Finbarr Dac in Cork, Irland, geboren. Ist ein
hervorragendes Beispiel dafür. Mit seiner Liebe zur Ästhetik im Urbanen
glänzt er mit einzigartigen Darstellungen japanischer Frauen. Elegant, schön und wild
mit entschlossenem Blick zieren sie selbst sechsstöckige Giebelwände und erzielen hohe
Priese.
Und auch die weiteren Künstler in diesem hinreißenden Kompendium bieten wahre
Augenweiden als Beispiele der Vielfalt und der hohen Qualität der Straßenkunst. Wozu
Alessandra Mattanza nach ihren Interviews feststellt: Die neuen Street-Art-Künstler
träumen immer von einer Gesellschaft mit Herz und Verstand.
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