RICHARD RUSSO: „VON GUTEN ELTERN“


Nach „Ein grundzufriedener Mann“ (1993) und „Ein Mann der Tat“ (2016) hat der US-Erfolgsautor Richard Russo nun nachgelegt und seine Epen um die kleine Arbeiterstadt North Bath, New York State, mit einer weiteren Folge zur Trilogie abgerundet.
„Von guten Eltern“ lautet der Titel des mittlerweile zehnten Romans des Pulitzer-Preisträgers und der führt ins Jahr 2010. North Bath hat seine guten Tage schon lange hinter sich und jetzt soll es aus Gründen der Kostenreduzierung in die deutlich besser gestellte Nachbarstadt Schuyler Spring eingemeindet werden.
Dass ein eigener Stadtrat und Bürgermeister dann entfallen, wussten die Bürger. Hinsichtlich weiterer Aderlässe wie bezüglich eigener Schulen aber hat man die Bürger bewusst über die rasante Geschwindigkeit der Entwicklung im Unklaren gelassen. Ohnehin stehen jedoch markante Charaktere im Mittelpunkt, die Leser der Vorgängerromane teils bereits kennen.
Da ist zum Beispiel Polizeichef Doug Raymer, der jetzt wegen der Herabstufung von North Bath seinen Posten aufgegeben hat. Seine zeitweilige Freundin - und Untergebene – Charice Bond hat ihn beerbt. Und hat einige Probleme durchzustehen, denn sie ist die erste schwarze auf solch einem Posten (es war Russo ein dringliches Anliegen, den grassierenden Rassismus ebenso zu thematisieren wie die allgegenwärtige Polizeigewalt).
Die Hauptlinie des Romans folgt allerdings dem College-Professor Peter Sullivan, dem Sohn des verstorbenen legendären Haudegens „Sully“. Der mit einem seiner beiden Söhne eine zerrütteten Beziehung hat. Als dieser Thomas seinen Vater besucht, tut er das angeblich nur als Zwischenstopp auf einer Reise nach Montreal.
In Wirklichkeit treiben ihn jedoch Rachegedanken, denn er gibt dem Vater die Schuld für seine miese Jugend, die er in West Virginia durchmachen musste durch die geschiedene Mutter und vor allem einen gewalttätigen Stiefvater. Als Vergeltung will er dem Vater das Dach überm Kopf anzünden.
Was nur durch einen anderen Gewaltakt verhindert wird, als er in einer Bar im Suff Ärger bekommt und ihn ein ruppiger Polizist ins Koma befördert. Ein anderer, viel rätselhafterer Gewaltakt aber zieht sich durch das gesamte Geschehen: im leer stehenden Hotel „Sans Souci“ hat sich ein – vermeintlich – Unbekannter aufgehängt.
Das schafft so viel Durcheinander, dass Polizeichefin Bond sogar ihren Ex Raymer für die Ermittlungen hinzubittet. Was durchaus für eine gewisse Wiederannäherung der beiden führt, während viele andere Beziehungen für weitere lebensnahe Handlungsstränge sorgen.
Ganze drei Tage von Samstag bis Montag in diesem Februar 2010 sind der Zeitraum, in dem sich all dies und noch viel mehr abspielt. Wie gewohnt, erweist sich Richard Russo als Meister exzellenter Dialoge und konturengenauer Charaktere. Dieser glaubhafte Kleinstadtkosmos kommt ohne echte Helden aus, zugleich lässt er das gesellschaftliche Gemenge bereits erkennen, wegen dem sich Donald Trump ins Weiße Haus durchpowern konnte.
Fazit: ein großer amerikanischer Roman am Puls der Zeit, mit manch grimmigem Humor unterlegt, was ihn zu einem um so mitreißenderes Lesevergnügen macht.

# Richard Russo: Von guten Eltern (aus dem Amerikanischen von Monika Köpfer); 571 Seiten; DuMont Verlag, Köln; € 28

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: BEL 1793 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de