HARK BOHM: AMRUM
Kurz vor seinem 85. Geburtstag hat der berühmte Filmregisseur Hark Bohm erstmals einen
Roman veröffentlicht. Da sich dieser mit einer wahren Hommage an den Lieblingsort seiner
Jugend wendet, heißt der Titel denn auch Amrum.
Dorthin war einst seine von hier stammende Mutter mit ihm und seinen beiden Geschwistern
gezogen, um den Bombenangriffen auf Hamburg zu entgehen. Der Junge, der hier allerdings im
Mittelpunkt steht, ist bereits zwölf Jahre alt, trägt aber wie Bohm mit Nanning einen
sehr friesischen Namen.
Nanning fühlt sich angesichts des fast völligen Männermangels auf der kleinen Insel
irgendwie verantwortlich für die Familie, zumal die Mutter hochschwanger ist. Und es sind
karge Zeiten in diesen letzten Wochen des Krieges, in denen die Familie nicht einmal
weiß, ob der Vater noch lebt.
Zumindest aber klingt an, dass er nicht an der Front kämpft, zumal er wie die Mutter
überzeugter Nazi und offenbar SS-Offizier ist. Doch Hark Bohm und sein Co-Autor Philipp
Winkler erzählen die Geschehnisse aus der Sicht des Jungen, für den die Natur mit all
den Seevögeln, aber auch den so wichtigen Schafen, Ziegen, Hühnern und anderen
Nutztieren ungleich interessanter.
Vor allem aber durchstreift er mit seinem engen Freund Hermann die windumtoste Insel. Wenn
sich die beiden nicht gerade wieder für die knappen Lebensmittel abrackern. Und dann
macht dieser Sohn überzeugter Nazis, der so unpolitisch und unschuldig ist, dass er nicht
einmal weiß, was ein Jude ist, einen ganz dummen Fehler. Unter den Insulanern sind
genügend, die mit Hitler gar nichts im Sinn haben, und zu denen gehört auch die Bäuerin
Tessa.
Als die im Beisein der Jungen vom hoffentlich baldigen Ende des Scheißkriegs
spricht, erzählt Nanning unbedacht davon zu Hause. Woraufhin der Ortsgruppenleiter Tessa
wegen Wehrkraftzersetzung mit dem Standgericht droht. Dazu kommt es zwar nicht mehr, für
Nanning aber hat es Konsequenzen, denn ab sofort darf nicht mehr auf Tessas Hof kommen und
der Bezug jeglicher Lebensmittel entfällt ebenso.
Um so mehr müssen die Jungen nun der kargen Inselnatur Essbares abringen, seien es
Kaninchen, Schollen oder von Anderen Eingetauschtes. Ihr Inselalltag ist jedenfalls
ausgefüllt und das bleibt er auch, als dann der Krieg tatsächlich zuende geht. Nun
begegnet Nannin Siegersoldaten und als sein Vater heimkehrt, wird der umgehend von den
Briten verhaftet.
Mindestens so spannend wird für Nanning jedoch die Frage nach der Zukunft, denn die
Eltern wollten von jeher, dass er zum Gymnasium geht. Weg von der geliebten Insel und weg
vom besten freund. Und das alles bleibt bis zuletzt sehr atmosphärisch mit viel
Inselflair und echtem Zeitkolorit.
Allerdings auch trotz einiger kleiner Dramen eher unaufgeregt. Das wird vermutlich
fesselnder in der Verfilmung werden, die Hark Bohm bereits mit seinem künstlerischen
Ziehsohn Fatih Akin vorbereitet. Manche der langen Szenen werden dann mit den wunderbaren
Bildern fesseln können, die hier liebevoll und doch auch spröde und verhalten mit
einfachen Sätzen und dem unschuldigen Blick des Zwölfjährigen gezeichnet werden.
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