IRENE DIWIAK: „DIE ALLERLETZTE KAISERIN“

 
Johanna Fialla wurde am 11. November 1918 geboren, dem letzten Tag der Donau-Monarchie. Nun sitzt sie in einem Dorfgasthaus in der österreichischen Provinz und erklärt der Gastwirtstochter Claudia: „Wäre es mit rechten Dingen zugegangen, wäre ich jetzt Ihre Kaiserin“.
Das ist die zentrale Aussage in Irene Diwiaks jüngsten Roman „Die allerletzte Kaiserin“. Der beginnt als Buch im Buch mit einem Vorwort ebendieser pummeligen Claudia. Die dann erläutert, dass sie sich schon in der Schule schwer getan habe mit dem Aufsatzschreiben und wie sie trotzdem zur Buchautorin werden sollte.
Da war eines Tages im Herbst 2016 diese kleine, sehr altmodisch gekleidete Frau in das uralte Gasthaus gekommen und sofort aufgefallen. Mit ihrem winzigen zerknautschten Gesicht wirkte sie wie „eine gepuderte Rosine“. Und sie kehrt nun jeden Tag wieder, bestellt immer das gleiche Fischgericht und drückt sich bei allen Äußerungen altbacken vornehm aus.
Warum sie stets auf diesem bestimmten Sitzplatz direkt gegenüber dem angejahrten Gemälde von Kaiser Franz Joseph behartt, erfährt Claudia schließlich nach Wochen, in denen sie mit der Dame mit dem vornehmen Benimm ein wenig vertrauter geworden ist. Johanna Fialla starrt nämlich nicht ins Leere, wie es den Anschein hat, sondern bewusst auf das Kaiserbild: „Er ist nämlich mein Urgroßvater.“
Als sie dazu verrät, dass sie die Enkeltochter von Erzherzog Rudolph sei, wagt Claudia die Frage, ob sie diese einzigartige Geschichte aufzeichnen dürfe, und – die alte Dame ist sogar begeistert von der Idee. Und was jetzt einsetzt, wird eine köstliche Melange aus historischen Fakten und Fiktion.
Wie die hellwache Greisin nun offenbart, dass sie wirklich eine Kaiserliche sei, führt das zu einer hinreißenden Beweisführung. Sie erzählt auf skurril ernsthafte Weise mit zuweilen kauzigen Wendungen in altertümlichem Österreichisch. Das Erstaunliche dabei: trotz des fakten- und anekdotengesättigten Redeflusses verliert Johanna Fialla nie den Faden.
Als Chronistin Claudia irgendwann Bedenken erhebt, weil der angebliche Großvater Erzherzog Rudolph doch bereits 1889 in der berühmten Tragödie von Schloss Mayerling sich und seine junge Geliebte, die Baronin Mary Vetsera, umgebracht hat, eröffnet die strenge Greisin ein sensationelles Geheimnis, das sie sogar mit dem Brief eines Augenzeugen untermauert.
Danach litt der junge Thronfolger in seiner „nervösen Überspanntheit“ schwer darunter, dass die gesamte Zukunft des Kaiserreichs an ihm hänge. Dazu gibt es nun herrliche Passagen von damals, wie ihm ein Freund den Weg aus der Drangsal weist: die angebliche Tragödie zu fingieren und ins zivile Leben abzutauchen.
Weshalb dann Rudolphs einziger Sohn mit dem schönen Namen Johann Witz im Januar 1918 die niedliche minderjährige Katharina verführen und die kaiserliche Enkeltochter zeugen konnte. Immer bunter wird die Geschichte dann mit ihrem subtilen Humor und Sarkasmus.
Nie jedoch etwa albern, dafür sorgt schon dieser wunderschöne Sprachstil, der gekonnt zwischen modern und vornehm kaiserzeitlich jongliert. Überhaupt hat die österreichische Erfolgsautorin mit dieser verhinderten Monarchin Johanna Fialla eine einzigartige Romanheldin geschaffen, die einem sofort ans Herz wächst.
Fazit: eine ebenso charmante wie intelligente Schnurre und zugleich ein literarisches Juwel.

# Irene Diwiak: Die allerletzte Kaiserin; 301 Seiten; C. Bertelsmann Verlag, München; € 22

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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