DAN JONES: „ESSEX DOGS“


Der britische Historiker Dan Jones ist berühmt für seine höchst lebendigen Bücher über geschichtliche Themen des späten Mittelalters. Mit genau dieser Meisterschaft hat er nun seinen ersten Roman geschrieben.
„Essex Dogs“ lautet der Titel und natürlich widmet sich Jones auch damit einem historischen Thema, dem sogenannten Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich. Der mit seiner Dauer von 1337 bis 1453 sogar die hundert Jahren noch überschritt. Die Essex Dogs sind eine fiktive Söldner-Gruppe, zehn kampferprobte Haudegen, angeführt von Fitz Talbot, genannt Loveday.
Sie gehören zur Vorhut der Streitmacht von Könog Edward III., der im Sommer 1346 mit tausend Schiffen und darin 15.000 Kämpfern an der Küste der Normandie landet. Damit beginnt ein wochenlanger Zug durch französische Landschaften, der gebrandschatzte Dörfer und massakrierte Menschen hinterlässt, bis es im August desselben Jahres zur berühmt-berüchtigten Schlacht von Crécy kommt.
Was Loveday und seine aufeinander eingeschworenen Mitkämpfer hier an Gefechten mit Schwert und Bogen überstehen, ist eine schier endlose Folge von Gemetzeln. Wobei Romford, dem jüngsten von ihnen, eine Sonderrolle zufällt, denn er wird zum Pagen des Prince of Wales abkommandiert, der wie er erst 16 Jahre alt ist.
Was Autor Dan Jones bei diesem rasanten Historiendrama allerdings von den meisten Schreibern derartiger Epen unterscheidet: er ist ein absoluter Experte der europäischen Geschichtsschreibung und was er an Details und Zeitkolorit bis hin zur verrotteten Gefühlswelt dieser Krieger einbringt, ist ganz und gar authentisch.
Da gibt es keine Glorifizierung oder edle Helden und gerade den oft so aufgeblasenen Adeligen und Ritter gilt viel Sarkasmus. Mit dem sie ja auch den verächtlichen Umgang mit ihren Kriegern verbrämen. Menschenleben gelten nichts und diese ohnehin grobschlächtigen Männer werden mit jeder neuen Schlacht und jeder weiteren Plünderung nur noch mehr zu verrohten Bestien.
Frauen kommen hier nur als Opfer vor und lediglich eine, die geheimnisvolle „Frau von Valognes“, die Loveday immer wieder in seltsamen Begegnungen verwirrt, spielt eine nennenswerte Rolle. Edelmut oder gar Romantik bleiben in diesem brutal realistisch geschilderten Geschehen Fremdworte, während Gewalt, Dreck und Tod ständige Begleiter sind.
Das blutige Ringen gipfelt schließlich in jener Schlacht von Crécy, in der die französische Übermacht eine katastrophale Niederlage erleidet, die nicht zuletzt die Ritterschaft Frankreichs so dezimiert, dass sie sich nie mehr davon erholt.
Der hundertjährige Krieg aber hatte damit nur seinen ersten blutgetränkten Höhepunkt erreicht. Und folgerichtig hat Dan Jones für seine historisches Gemälde mit den überwiegend historisch verbürgten Protagonisten als Trilogie angelegt. Jene Essex Gogs, die bis hierher überlebt haben, werden weiterkämpfen und Loveday vermutlich auch der „Frau von Valognes“ erneut begegnen.
Das ist fiktive Historiendramatik vom Feinsten vor sehr realistischem Hintergrund und mit dem Wissen des Historikers verfasst. Zartbesaitete sollten dieses explizit brutale 'Männerbuch' allerdings ebenso meiden wie den Folgeband „Winterwölfe“, der bereits für den kommenden August angekündigt ist.

# Dan Jones: Essex Dogs (aus dem Englischen von Heike Schlatterer und Wolfram Ströle); 469 Seiten; C. H. Beck Verlag, München; € 26

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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