DANYA KUKAFKA: NOTIZEN ZU
EINER HINRICHTUNG
Seit sieben Jahren sitzt Ansel Packer im Gefängnis, jetzt hat er noch zwölf Stunden bis
zur Exekution durch die Giftspritze. Diesen Countdown zählt die US-Erfolgsautorin Danya
Kukafka in ihrem neuen Roman runter. Doch sie gönnt dem Serienmörder nicht die ohnehin
typische unselige Faszination des mysteriösen Monsters.
Ganz nüchtern Notizen zu einer Hinrichtung lautet denn auch der Titel und
auch seine Opfer, vier junge Frauen, sowie die Ermittlerin, die ihn zur Strecke brachte,
bekommen ihre Stimmen. Am Anfang und später immer wieder ist es Packer selbst, der
spricht. Das allerdings in der Du-Erzählweise und damit irritierend nah am Leser.
Zugleich ist das, wie und was der gefühlskalte Psychopath erzählt, auffallend sperrig.
Wenn er da mal sein geheimes platonisches Verhältnis mit der Gefängniswärterin Shawna
glorifiziert und andererseits in völliger Überschätzung seines Intellekts an einem
Manifest über Gut und Böse schreibt, dann lässt das sein gestörtes Verhältnis zur
Welt erahnen.
Dann aber schwenkt der Blick auf die erste der Frauen in seinem Leben, auf seine
unbedarfte Mutter Lavender. Sie ist 17 und Ehemann Johnny hat sie auf eine verwahrloste
abgelegene Farm geschleppt. In der Scheune gebärt sie den Jungen, für den es nicht
einmal Windeln geschweige denn Babynahrung gibt.
In völligem Elend vegetiert sie mit dem Baby dahin und während Johnny sich zunehmend als
Sadist erweist, wird nach vier Jahren ein weiteres Baby geboren. Dieser Junge ist erst
zwei Monate alt, als sich Lavender endlich aus ihrer Not befreien und flüchten kann. Aber
auf Kosten ihrer Kinder, die sie der staatlichen Fürsorge hinterlässt.
Mit gravierenden Folgen für Ansel, der später mit 17 Jahren aus nichtigen Anlässen drei
junge Frauen folterte und umbrachte, weil er nie das Plärren seines kleinen Bruders aus
dem Kopf bekam. Und die Panik, schuld an dessen Tod zu sein. Ohne zu wissen, dass der
namenlose Kleine einfach nur in ein anderes Heim kam.
Die zweite Frauenstimme aber ist die von Saffron und mit dieser Saffy war
Packer nach etlichen Pflegefamilien gemeinsam in einem Heim untergebracht, Sie schwärmte
in Kinderverliebtheit für ihn, bis sie seine bevorzugte Freizeitbeschäftigung entdeckte:
Tiere zu quälen, zu töten und ihnen den Kopf abzureißen.
Ihre Entdeckung macht ihn noch nicht zum Mörder. Doch ausgerechnet sie ist es, die den
Weg in ein ein normales Leben als Polizistin schafft. Und die ihn schließlich
überführt. Da hat der so unauffällig lebende Durchschnittstyp jedoch auch seine
zeitweilige Ehefrau Jenny umgebracht, aus Eifersucht erstochen. Aus der Sicht von Jennys
Schwester Hazel wird dann auch offenbar, dass Packer durchaus charmant sein könnte
ohne wirkliche Emotionen aber mit dem Sinn für die Nützlichkeit von Menschen.
Mit unsentimentalem Blick wird der bis zuletzt auf einen Ausweg, wenigstens aber auf
Verständnis und Würdigung heischende Delinquent zugleich jeder Monstrosität als
Killerfaszinosum entzaubert. Polizistin Saffy entlarvt ihn sogar als langweilige kaputte
Type, die nur für seine Opfer für ihre letzten Lebensmomente zum allmächtigen
Übermenschen wurde.
Und die Autorin, die für diesen Roman, der kein Krimi im eigentlichen Sinne ist, bereits
mit dem Edgar Award 2023 ausgezeichnet wurde, gelingt es zum Schluss sogar, den Verbrecher
bei der Exekution zu begleiten und ihm dennoch nicht das letzte Kapitel zu überlassen.
Fazit: eine literarische Herausforderung von hohen Qualitäten, die lange nachhallt.
|