MAGGIE O'FARRELL: „HIER MUSS ES SEIN“


„Hier muss es sein“ ist bereits 2016 im Original erschienen und die irisch-britische Autorin Maggie O'Farrell hat inzwischen weitere Erfolgsromane veröffentlicht. Es wäre jedoch ein Jammer gewesen, dieses Familienepos den deutschsprachigen Lesern vorzuenthalten.
Als Ich-Erzähler schildert da der amerikanische Linguistik-Professor Daniel Sullivan, wie es zur ersten Begegnung mit seiner ausgesprochen harschen Ehefrau kam. Er war hierher ins karge Donegal im Nordwesten Irlands leidglich gereist, um die Urne seines irischstämmigen Großvaters abzuholen.
Wegen des kleinen Ari am Straßenrand hält er unterwegs an und der stotternde Junge führt ihn zu seiner Mutter, die gerade einen Reifen an ihrem Wagen wechseln muss. Diese „knochige Botticelli-Schönheit“ fasziniert ihn trotz ihrer mehr als spröden art sofort. Ihr zumindest dezentes Interesse an ihm flackert wegen des Jungen auf, mit dessen Sprachproblemen Daniel offenbar bestens zurechtkommt.
Als sie sich allmählich nahekommen, haben beide gescheiterte Beziehungen hinter sich und verbergen tiefsitzende Geheimnisse. Wobei ihres allerdings nicht lange hält, denn schnell findet Daniel heraus, dass sie die legendäre Claudette Wells ist. Als Schauspielerin berühmt, wurde sie zum Mythos, seit sie plötzlich spurlos untertauchte.
Seit Jahren lebet sie nun in einem abgelegenen Haus in dieser bevölkerungsarmen Provinz und verteidigt ihr Refugium gegen jede Art von Eindringling, notfalls sogar mit der Flinte. Während sie einst mit ihrem schwedischen Entdecker liiert war, hat Daniel eine katastrophale Scheidung hinter sich von einer biestigen Frau, die ihm auch die Kinder vorenthält.
Nun aber wurden Daniel und Claudette ein Paar, bekamen zwei Kinder miteinander und er arbeitet an der Universität in dublin. Doch dieser vielschichtige Roman mit seineer dichten und sehr persönlichen Prosa wird nicht linear erzählt, sondern springt zwischen verschiedenen Zeiten, Personen und den einzelnen Perspektiven der einzelnen Personen. Da liest man von Claudettes Karriere und zur Beziehung zu dem Regisseur ebenso wie von Daniels Familie und der ersten Ehe.
Dann aber kommt es zu einem Ereignis, das alte unausgesprochene Geheimnisse aufspült und zum Sprengstoff ihrer Ehe wird. Die bis dahin recht glücklich war, obwohl auch Claudette Dinge verheimlicht. Nun jedoch hört Daniel im Autoradio ein altes Interview und vor allem hört er, dass die Interviewerin damals weniger Monate später verstorben ist.
Eine alte Schuld bricht auf und wirft Daniel völlig aus der Bahn, denn diese Nicola Janks hat er damals als 24-jähriger Student in England schmählich düpiert und sitzengelassen. Seine wilde Studentenzeit mit Sex, Suff und Drogen hatte diese einige Jahre ältere und bereits arrivierte und promovierte Frau in ganz andere Bahnen gelenkt. Als sie im Laufe der intensiven Beziehung jedoch schwanger wurde, begleitete er sie zur Abtreibungsklinik.
Um sich gleich danach, zurück an der Universität, mit einer Studentin zu vergnügen, Alkohol und Drogen inklusive. Während er aber am nächsten Tag in die Heimat fliegen sollte, weil seine Mutter im Sterben lag, stolperte er am anderen Morgen der frisch operierten Nicola samt Bettgenossin vor die Füße.
Jetzt als glücklicher Familienvater gerät er so aus der Fassung, dass es zur folgenreichen Konfrontation mit der stets kompromisslosen Claudette kommt, die Geheimniskrämerei hasst und ihm nun Verrat vorwirft.
Mit souveräner Hand führt Maggie O'Farrell in einem gelungenen Final die verschiedenen Fäden der Geschichte schließlich meisterhaft zusammen. Fazit: ein anspruchsvoller Roman, dessen ebenso feine wie detaillierte Prosa auch inder Übersetzung durch Kathrin Razum ein literarischer Genuss ist.

# Maggie O'Farrell: Hier muss es sein (aus dem Englischen von Kathrin Razum); 541 Seiten; Piper Verlag, München; € 26

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: BEL 1787 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de