FILIZ PENZKOFER: „ALLES IM GRÜNEN oder...“


„Die alte Frau ist ins Gras gebissen!“Mit dieser sprachlich etwas misslungenen Meldung bringt Musti endgültig das Chaos in die ohnehin chaotische WG „Betreutes Wohnen e. V. Hermannplatz“.
Dabei wollte Ich-Erzählerin Rabea doch nichts mehr, als in eine Einrichtung für ganz normale psychisch Kranke eingegliedert werden. Stattdessen zwingt ihre Angstpsychose sie hier ununterbrochen zum Versteckspielen, um den beiden Mitbewohnern auszuweichen. Der syrische Flüchtling Mohammed, allgemein nur Musti genannt, ist mit seinem wilden Bart als Terroristenerscheinung ein stetes Schreckgespenst.
Noch schlimmer, weil hyperaktiv und dauerschlechtgelaunt, ist Queen Tiger in ihrem Fellmantel und den eingeschwärzten Augen. Sie verdient sich Geld als Voodoo-Priesterin, die ihre obskuren Dienste mit Knochen und Flüchen per ebay anbietet.
Da versteckt sich Rabea doch lieber im Kleiderschrank, wenn jemand naht. Und genau damit beginnt „Alles im Grünen oder Wie ich die Kette der Beschissenheit durchbrach“ von Filiz Penzkofer. Was sich die deutsch-türkische Journalistin und Theaterpädagogin da als Jugendroman ausgedacht hat, wäre mit verrückt noch tierisch unter Wert eingestuft.
Denn sie gibt ihrem Trio einen Hochgeschwindigkeits-Einlauf mit Kerosin und vor allem mit hinreißendem Wortwitz, der ebenso rabenschwarzen wie respektlosen Sorte. Allein schon der Running Gag mit Mustis ständigen Versuchen, sich mit deutschen Redensarten auszudrücken, streut fortlaufend Chili-Flocken ins ohnehin schräge Menü.
Gleich am Anfang läuft die Situation in der WG ganz banal aus dem Ruder, denn die garstige Vermieterin Frau Krause will die schrillen Typen endlich loswerden und droht mit der Kündigung. Weil der Mops der Alten dabei Musti einen seiner Sneaker entführt hat, traut sich der schließlich zur Wohnung Krause im dritten Stock.
Und er kehrt mit der eingangs zitierten Schreckensmeldung zurück, denn – irgendjemand hat Frau Krause umgebracht. Queen Tiger versucht mit ihren Zauberkünsten samt Hühnerknochen eine Wiederbelebung, doch die Alte ist wirklich hin. Aber die Polizei zu holen ist auch keine Option, schließlich wären „die Irren aus dem Betreuten Wohnen“ die allerersten Verdächtigen.
Bleibt also nur die Beseitigung der Leiche, nur wie hier mitten in Berlin? Was bis dahin schon losgefegt war, schaltet jetzt in noch höhere Gänge und wird immer schräger und skurriler bis ins Surreale. Da gibt es unter anderen einen Showdown auf dem Friedhof an offenen Gräbern und mit nützlichem Knochenmaterial.
Grotesk und voller oft tiefschwarz gefärbten Pointen rast das Trio durch das bei aller Flapsigkeit dennoch beeindruckend tiefgründige Geschehen. Was natürlich zwangsläufig in ein wildes Finale treibt. Wie bei all dem auch noch Lebensängste bewältigt werden und all die verwegenen und immer wieder saukomischen Szenen dennoch einen überzeugenden Roman ergeben, das hat die Autorin meisterhaft hinbekommen.
Fazit: dieses außergewöhnliche Humorpaket mit Hochspannung wird nicht nur Jugendliche ab 14 Jahre mitreißen, sondern auch Erwachsene begeistern.

# Filiz Penzkofer: „Alles im Grünen oder Wie ich die Kette der Beschissenheit durchbrach; 221 Seiten; Rowohlt Taschenbuch, Hamburg; € 20

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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