JOHN COREY WHALEY: HOCHGRADIG
UNLOGISCHES VERHALTEN
Seit über drei Jahren hat der jetzt 16-jährige Solomon das Haus nicht mehr verlassen.
Die Schule absolviert er per online, Langeweile hat er mit mit viel Fernsehen sowie
allerlei Spielen mit Eltern und Großmutter ebenfalls nicht. Vor allem aber funktioniert
sein Leben seither in ruhigen, geordneten Bahnen und ganz ohne Panikattacken.
Das ist der Einstieg für Hochgradig unlogisches Verhalten, den neuen
Jugendroman von John Corey Whaley. Man kann diesen Sol durchaus verstehen, denn gar zu
peinlich ist die Erinnerung an den Vorfall von damals an seinem letzten Schultag. In einer
Panikattacke hatte er sich völlig entkleidet und war im Brunnen vor seiner Schule
untergetaucht. Aus dem ihn erst der Direktor notdürftig verdeckt befreien konnte.
Für Leute, die seine Abschottung nicht verstehen, hat Sol kein Verständnis: Keiner
käme auf den Gedanken, einem Krebskranken die Chemo auszureden. Um so positiver
reagiert er auf den Brief von Lisa, die sich für seinen Fall interessiert und ihm ihre
Freundschaft anbietet. Wobei er ihre wahren Motive nicht im entferntesten ahnt.
Die 17-Jährige will nämlich an einer renommierten Universität Psychologie studieren. Da
sie wegen der hohen Kosten dafür aber ein Stipendium benötigt, muss sie sich dafür mit
einem fachspezifischen Erfahrungsaufsatz bewerben. Tatsächlich schafft die ebenso
intelligente wie ehrgeizige Lisa eine Annäherung mit unerwarteten Erfolgen. Sol wagt
allmählich kleine Schritte aus dem Haus und äußert schließlich einen erstaunlichen
Wunsch: er möchte schwimmen und braun werden unter der kalifornischen Sonne.
Worauf seine sympathischen Eltern, die sich mit seiner Störung pragmatisch abgefunden
haben, umgehend einen Swimmingpool im Garten anlegen lassen. Doch während Lisa heimlich
an ihrem Aufsatz mit dem Thema Meine persönliche Erfahrung mit psychischen
Erkrankungen schreibt, freundet sich auch ihr Freund Clark, der Modellathlet seiner
Schule, mit Sol an.
Nun wird es allerdings zunehmend kompliziert, denn einerseits findet Clark Lisas Treiben
alles andere als moralisch. Andererseits empfindet Sol, der ansonsten längst so viel
Vertrauen zu Lisa gefasst hat, dass er ihr gegenüber geheimste Gedanken offenbart, eine
beunruhigende Anziehung zu ihrem unbekümmert charmanten Freund. Und Lisa macht dieser
seltsame Schwebezustand richtig nervös.
Ob Lisas selbstherrlicher Therapieversuch trotz aller Widrigkeiten zu einem Happyend
führt, sei hier nicht verraten. Jedenfalls wird diese durchaus realistische Geschichte
überaus fesselnd im Wechsel der Perspektiven mal aus Sols und mal aus Lisas Blickwinkel
ausgebreitet. Spritzige Dialoge und so manche überraschende Wendung tragen dazu ebenso
zum großen Lesevergnügen bei wie die hinreißenden Protagonisten, allen voran die
knackige Großmutter.
Fazit: ein rundum gelungener Teenager-Roman mit ernsten Grundtönen und allerlei zum
Schmunzeln bis hin zu Situationskomik.
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