BARBARA BEUYS: DIE HELDIN VON
AUSCHWITZ
Erst nach und nach wurde einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, dass es in und
außerhalb der Konzentrationslager auch Widerstand gegen die Schergen des Holocaust
gegeben hat. Stets waren es jedoch Männernamen, die genannt wurden, dabei gab es unter
den weiblichen Häftlingen sogar eine, die als Heldin von Auschwitz für die Überlebenden
Kultstatus errang.
Die Heldin von Auschwitz. Leben und Widerstand der Mala Zimetbaum ist denn
auch die erste umfassende Biografie überschrieben, die Erfolgsautorin Barbara Beuys über
diese Frau geschrieben hat.
1918 in Polen geboren, war die Tochter einer einfachen jüdischen Familie in Kindheit und
Jugend so oft umgezogen, dass sie als junge Erwachsene am endgültigen Wohnort im
belgischen Antwerpen schließlich außer Polnisch und Jiddisch auch Deutsch, Französisch
und Flämisch sprach. Was ihr eine Sonderrolle als sogenannte Läuferin bescherte, als sie
1942 nach einer Razzia nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurde.
Die jetzt 24-Jährige, die Mithäftlinge als mutig bis zur Verrücktheit
priesen, nutzte ihre privilegierte Position im Frauenlager immer wieder, um den
drangsalierten Mithäftlingen zu helfen. Mal organisierte sie heimlich Essen, Medikamente
und anderes, mal gelang es ihr, Häftlinge von der Selektionsliste für die Gaskammern
streichen zu lassen. Und sie nutzte nicht nur de Gelegenheit, um Gegenstände und
Nachrichten unter den Häftlingen auszutauschen.
Die Schilderungen der vielfach preisgekrönten Historikerin beruhen auf den Berichten
Überlebender und manche weichen teils voneinander ab. Barbara Beuys konnte allerdings
auch bisher unbekannte Quellen auswerten, dennoch konnte auch sie nicht klären, was das
tatsächliche Motiv für die Aktion war, die das segensreiche Wirken Mala Zimetbaums im
Juni 1944 beendete.
Mutmaßlich war es die Liebesgeschichte mit dem polnischen Häftling Edward, der die
Flucht aus dem KZ wagen wollte. Ein verwegener Akt, der zunächst sogar gelang. Es gibt
jedoch auch ernstzunehmende Aussagen, die Mala ein viel größeres Motiv nachsagen: sie
wollte das Grauen des Holocaust an die Weltöffentlichkeit bringen.
Dazu hatte sie durch ihre Möglichkeiten, sich ziemlich frei im Lager bewegen zu können,
genutzt, um sich Häftlingslisten zu besorgen. Doch das mutmaßliche Fluchtziel Schweiz
erreichten die Beiden nicht, denn schon an der Grenze zur Slowakei flogen sie Anfang Juli
auf.
Während Eduard umgehend aufgehängt wurde, sollte es für Malas Exekution eine große
Inszenierung geben, bei der sämtliche weiblichen Häftlinge als Publikum,
anwesend sein mussten. Die unerschrockene dem Tod Geweihte aber machte daraus einen
ungeheuerlichen letzten Akt des Widerstands.
Hinter dem Rücken von SS-Unterscharführer Johann Ruiter schnitt sie sich mit einer
Rasierklinge die Pulsader auf. Als er dies bemerkte und brutal einschreiten wollte,
versetzte sie ihm mit der blutüberströmten Hand eine schallende Ohrfeige. Der vor Aller
Augen Gedemütigte tobte und brüllte und befahl die von ihm Zusammengeschlagene bei
lebendigem Leibe im Krematorium zu verbrennen.
Wie die Rebellin dann tatsächlich umkam, ist nicht überliefert. Der Akt des Aufbegehrens
aber machte nicht nur manchen KZ-Insassen Hoffnung und Mut, im Oktober 1944 führte er
sogar zu einem Aufstand der jüdischen Sonderkommandos. Der wurde zwar blutig
niedergeschlagen, doch auch hier hatten weibliche Häftlinge eine entscheidende Rolle
gespielt, indem sie die notwendigen Materialien besorgten.
Und das ist auch die wichtige Botschaft dieses hervorragend geschriebenen Buches: es gab
auch zahlreiche weibliche Widerständler gegen die mörderischen SS-Schergen was
viel zu lange und völlig zu Unrecht vernachlässigt worden ist.
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