JOHNNY CASH: „THE LIFE IN LYRICS“


Großartiger hätte man Johnny Cash (1932-2003) wohl kaum würdigen können anlässlich seines 20. Todestages: mit einer voluminösen Biografie auf der Grundlage der rund 600 Songs, die er zwischen 1954 und seinem Todesjahr verfasst hat.
„The Life in Lyrics: Sein Leben, seine Texte“ lautet der Titel und John R. Cash ist auch als Autor angegeben. Was hier allerdings ausschließlich für die ausgewählten 125 Songtexte gilt, ansonsten hat Mark Stielper, gut 40 Jahre Johnnys Chronist, die wesentlichen Lebenslinien mit den Liedertexten verbunden.
Eine wichtige Rolle spielt außerdem John Carter Cash, einziger Sohn des Stars und seiner zweiten Ehefrau June Carter. Seine sehr persönlichen Beiträge sorgen für einfühlsame Stimmungsbilder zu vielen Songs, die besonders intensive Lebensereignisse widerspiegeln, oder – wie so oft – mit dem hingebungsvollen Verhältnis der Eltern zueinander zu tun haben.
Cash junior hat im Übrigen einen Teil des umfangreichen und großenteils bisher unveröffentlichten Bildmaterials beigesteuert sowie Abdrucke etlicher Originaltexte, wie sei sein Vater zu Papier gebracht hatte. Gerade angesichts der ungeheuren Fülle des Songmaterials ist im Übrigen der Hinweis des Sohnes von Bedeutung, dass Johnny Cash ein perfektes Gedächtnis für Melodien und Text gehabt habe.
Und deren Beginn spannt sich vom ersten Son „Belshazzar“ mit 22 Jahren bis zum Abgesang „Like the 309“ im Mai 2003 über den Zug, der seine „Kiste“ ins Jenseits bringen soll. Als Cash mit seinem Erstling beim legendären Sam Phillips von SUN Records in Memphis, Tennessee, vorsprach, stieß er beim Produzenten solcher aufstrebenden Rock-Sänger wie Elvis, Jerry Lee Lewis, Carl Perkins und Roy Orbison auf Ablehnung mit dem Gospel. Dennoch blieb er interessant – weil er seine eigenen Songs schrieb.
Erste bei SUN aufgenommenes Stück war dann „Wide open Road“ und schon 1955 hatte Cash mit „Cry Cry Cry“ seinen ersten Hit in den Country-Charts. Und schon den ersten Jahren entstanden Evergreens wie „Hey Porter“, „I walk the Line“ und – für jene Zeit ein Unding – mit Folsom Prison Blues“ das Lied eines Mörders.
Ein stets gerühmtes Markenzeichen seiner Songs war, dass sie authentisch waren, einfach, poetisch und gradlinig, aber nie schlicht. Und er konnte teils herzzerreißende Geschichten erzählen wie das genial simple „Give my Love to Rose“ mit eben 24 Jahren. Früh als Singing Storyteller vermarktet, tourte er nun unablässig, stolperte dann aber in den 60er Jahren durch Alkohol und Pillen erst in die gesundheitliche und Ehekrise, um dann auch musikalisch fast ins Aus zu geraten.
Doch dem Mann, für den sein Glaube von klein auf von unverbrüchlicher Bedeutung war – wie unzählige Liederbeispiele belegen – zog nach der Scheidung für den Rest seines Lebens nach Hendersonville, Tennessee, und schafte 1967 einen Neustart. Vor allem aber trat June Carter in sein Leben und mit ihr 1968 der erste Aufstieg in den Olymp.
Der geniale Geistesblitz des Live-Auftritts in Folsom Prison am 13. Januar 1968 wurde ein Sensationserfolg, am 1. März heiratete er seine June und Anfang 1969 ließ er einen ähnlich erfolgreichen Live-Auftritt im Schwerverbrechergefängnis San Quentin folgen. Nicht viel später wandte sich der „Man in Black“ - das musikalische Manifest zu seinem Auftreten erfolgte übrigens erst 1971 – wandte er sich mit vielbeachteten Songs und ganzen Alben auch dem Engagement für die Ureinwohner der USA zu.
Als es später ruhiger um ihn wurde und das Abklingen des Schaffens und Tourens sich abzeichnete, gab es die unglaubliche Metamorphose mit den „American Recordings“ und der erneute Aufstieg in den Olymp. 1994 begegnete er dem ebenso schrägen wie genialen Produzenten Rick Rubin aus einer ganz anderen Musikwelt. Ihr Zusammenarbeit brachte einzigartige Alben hervor, die mit Auszeichnungen überhäuft wurden.
Da sich allerdings Johnny Cash die Gesundheit zunehmend verschlechterte und die Studioarbeit immer strapaziöser wurde, steuerte der neue Superstar nur noch wenige Eigenkompositionen bei. Darunter jedoch im Jahr 2000 mit „The Man comes around“ ein spätes Meisterwerk, von dem der ständig involvierte Sohn John sagt: „Für ihn war es der größte und wichtigste, weil charakteristischste Song, den er je schrieb.“
Auch dieser tief bewegende Gospelsong ist in dieser großartigen Biografie zu einem der Größten der Musikgeschichte in vollem Umfang zu bewundern. Fazit: ein faszinierendes Buch nicht nur für die Millionen Fans des „Man in Black“.

# Johnny Cash: The Life in Lyrics: Sein Leben, seine Texte (aus dem Amerikanischen von Alexander Wagner, Stefan Rohmig, Philip Bradatsch und Bernd Gockel); 374 Seiten, div. Abb., Großformat; btb Verlag, München; € 48

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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