PAUL SEXTON: „CHARLIE'S GOOD TONIGHT“


Charles Robert Watts (1941-2021) war einer der ganz großen Stars der Rock-Musik und zugleich ihr unwahrscheinlichster. Nunh hat der Journalist und Radiomacher Paul sexton die erste Biografie über den legendären Drummer der Rolling Stones verfasst.
„Charlie's good tonight“ lautet der Titel, ein altes Interviewzitat von Mick Jagger, der wie auch Keith Richards ein Vorwort beigesteuert hat. Was auch unterstreicht, dass dies eine noch vom dem Schlagzeuger selbst und seiner Familie autorisierte Biografie ist. Der Autor konnte dazu nicht nur viele Zeitgenossen von Charlie „Boom Boom“ Watts befragen sondern hatte auch etliche Gespräche mit diesem selbst.
Wobei das allerdings eine besondere Herausforderung war, denn Watts war ein Rockstar, der Aufmerksamkeit verabscheiute. Oder wie Keith Richards betonte: „Charlies Reserviertheit ist berüchtigt.“ Doch es war so vieles ungewöhnlich für eine derartig zentrale Figur der als größte Rockband aller Zeiten geltenden Rolling Stones und das beginnt schon beim seinem Einstieg in die Musik.
Ganz früh verlor er sein Herz an den Jazz und er gab diese Liebe niemals auf. Mit 14 schenkten ihm Vater und Großmutter das erste bescheidene Schlagzeug und als er in die Musikszene einstieg, war es mit Jazz bei einschlägigen Bands. Aus einfachen aber liebevollen Verhältnissen kommend, erlernte er den Beruf des Grafikers und war offenbar recht erfolgreich damit, denn die 1962 gegründeten Rolling Stones, die bekanntlich als reine R & B-Band begannen, mussten ihn erst beknien, bevor er bei ihnen einstieg.
Es ist bekannt, dass er der Band nur ein, zwei Jahre gab – es sollten 59 werden bis zu jenem letzten Konzertauftritt mit 78 Jahren am 30. August 2019 in Florida. Und in diesen Jahren des Welterfolgs wirkte der eher schweigsame Drummer als Motor und Erdung der wilden Rolling Stones.
Zugleich war er ein steter Gegensatz zu den Kollegen und ihren Exzessen auf all den Tourneen. Kaum zu glauben: er führte ein offenbar bis zuletzt glückliches Eheleben mit Shirley, die er bereits 1964 geheiratet hatte, und er war ein liebevoller Vater und Großvater, der auf Tourneen unter der Sehnsucht nach zuhause litt.
Gleichwohl war dieser freundliche, uneitle und sehr großzügige Ausnahmemusiker vielleicht sogar der exzentrischste der Stones. Mit Shirley unterheilt er ein großes Gestüt für edle Pferde und ist selbst nie geritten. Er hatte eine Oldtimer-Sammlung mit auserlesenen Juwelen, aber – nie einen Führerschein.
Und eben das war die verrückteste Marotte, seine geradezu zwangsneurotische Sammelwut von allen möglichen Dingen, so dass sein Zuhause wirkte „wie ein außer Kontrolle geraetenes Museum.“ Was auch Kleidung vom Feinsten umfasste bis hin zu endlosen Reihen von teuren Maßanzügen und edlem Schuhwerk.
Diese Kleidung aber trug Charlie auch als Markenzeichen des „well-dressed gentleman“ und war auch bei sämtlichen Konzerten stilvoll gekleidet. Da glaubt man den Zeitzeugen, dass sie diesen lässig eleganten Herrn nie in Jeans gesehen haben. Die auch nicht zu seinem extremen Ordnungssinn gepasst hätten.
Immer wieder kommt aber auch die große Sympathie für diesen bekennenden Einzelgänger von seiten aller Kollegen und Zeitzeugen zum Ausdruck. Anekdoten über Anekdoten geben auch dafür Zeugnis. So war es auch wichtig für diese Biografie, dass sie bei einer derartig außergewöhnlichen Persönlichkeit von dieser selbst autorisiert wurde.
Was aber auch Schwächen erklärt, denn hier wird nichts kritisch hinterfragt und bis auf eine – kaum näher erläueterte – Phase von Drogenproblmene in den 80er Jahren erscheint das Bild dieser Hommage beinah als das eines „Heiligen des Rock & Roll“.
Was aber den hohen Unterhaltungswert dieser Biografie nicht beeinträchti9gt und vor allem Nostalgiker können sich garantiert gar nicht sattlesen an dieser Reise durch Jahrzehnte spannender Musikgeschichte.

# Paul Sexton: Charlie's good tonight. Seine Leben und die Zeit mit den Rolling Stones. Die autorisierte Biografie von Charlie Watts (aus dem Englischen von Dieter Fuchs und Kristian Lutze); 384 Seiten, div. Abb.; Ullstein extra, Berlin; € 24,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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