KLAUS DOLDINGER: „MADE IN GERMANY“


„Der Jazz traf mich wie der Blitz beim Pinkeln“, erinnert sich Klaus Doldinger an diese Epiphanie im Mai 1945 im bayerischen Schrobenhausen. Dort im Dorfgasthof spielte eine Gruppe US-Soldaten diese unerhörte Musik.
Mit jetzt 86 Jahren hat der Musiker und Komponist seine Autobiografie geschrieben unter dem Titel „Made in Germany. Mein Leben für die Musik“. Und schon vor der Lektüre dieser ausführlichen Geschichte eines höchst erfolgreichen Lebens darf man feststellen: rein vom Hörerleben dürfte Doldinger im deutschen Sprachraum sehr wahrscheinlich bekannter als ein gewisser Mozart sein, denn kein Fernsehzuschauer kann seiner „Tatort“-Melodie entgangen sein.
„“Schrobenhausen war die Ini98tialzündung, ohne die alles, was danach kam, vielleicht nie passiert wäre“, heißt es da. Allerdings war sein riesiges musikalisches Talent die Grundvoraussetzung, das seine Eltern zum Glück früh damit förderten, dass sie ihn in der neuen Wahlheimat Düsseldorf zum Robert-Schumann-Konservatorium schickten. Dort habe er seine gesamten musikalischen Grundlagen erlernt.
Mit intensivem Ehrgeiz lernte er dort, seine Liebe aber gehörte dem Jazz, den er schon als Teenager heimlich mit ersten Bands praktizierte. Vergeblich versuchte der konservative Vater, ein hoher Postbeamter, ihm diese „Hottentottenmusik“ herauszuprügeln. Doldinger spielte stattdessen am 15. Mai 1953 erstmals mit den „Feetwarmers“ öffentlich und er bekennt trotz aller sinstigen Erfolge, dass ihm das Spielen vor Publikum noch immer das Wichtigste in seinem künstlerischen Leben sei.
Vom Dixieland der ersten Jahre geht es über zum Modern Jazz, später kommen „The Motherhood“ und der Free Jazz und 1971 „Passport“ mit dem Fusion Jazz. Mit dieser Band hatte auch ein gewisser Udo Lindenberg – noch als Schlagzeuger – seine ersten von Doldinger geförderten professionellen Gehversuche und in wechselnden Besetzungen reiste Doldinger mit Passport um die halbe Welt.
Detailliert und mit manchen Anekdoten schildert er selbstbewusst aber gänzlich uneitel die vielen spannenden Entwicklungen. Traf er auch vor allem in den USA immer wieder auf begeisterte Liebhaber seiner vielseitigen Musik, waren es dann besonders Filmmusiken, die ihn unsterblich machten.
Die so einprägsame „Tatort“-Melodie entstand zum Auftakt der Krimi-Reihe 1970, international zum Star aber machte ihn der weltweit erfolgreiche Kultfilm „Das Boot“. Regisseur Wolfgang Petersen hatte ihn dafür engagiert und ihm freie Hand gelassen – für eine kongeniale musikalische Untermalung, die von diesem Film gar nicht wegzudenken ist.
Die Autobiografie, die der Maestro in Zusammenarbeit mit seinem Sohn Nicolas und dem Musikjournalisten Torsten Groß verfasst hat, spannt einen Bogen über ein schier unerschöpfliches Künstlerleben voller spannender Erinnerungen. Beim Privatleben hält er sich gleichwohl diskret zurück, bekennt sich allerdings zu seiner großen Liebe Inge, die er bereits 1960 heiratete. Und dann glaubt man gern, was Nicolas Doldinger – jüngstes von drei Kindern – im Vorwort über die schmerzlichste Lebensphase seines Vaters sagt.
Die Corona-Zwangspause sei für einen solch leidenschaftlichen Live-Musiker wie diesen Klaus Doldinger schier unerträglich gewesen. Kein Orchester, keine Konzerte und das im hohen aber munteren Alter. - Fazit: für jeden Musik-Fan ein absolutes Muss und auch ein Stück deutsche Kulturgeschichte.

# Klaus Doldinger: Made in Germany. Mein Leben für die Musik; 319 Seiten, div. Abb.; Piper Verlag, München; € 26

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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