EVA RIEGER: „ISOLDE. RICHARD WAGNERS TOCHTER“

 
Die Musikwissenschaftlerin Eva Rieger gilt als große Wagner-Expertin. Mit ihrem jüngsten Werk zum Thema ist ihr nun ein Clou gelungen, der das vielfältige Thema um überraschende neue Nuancen bereichert: die erste Biografie zur Wagner-Tochter Isolde (1865-1919).
„Isolde. Richard Wagners Tochter. Eine unversöhnliche Familiengeschichte“ lautet der Titel. Die neuen Aspekte verdankt die Autorin erst jetzt aufgetauchten Quellen, dem Nachlass der Familie von Isoldes Ehemann Franz Beidler. Eine Fülle von Briefen der Eheleute, vor allem aber auch von Cosima Wagner eröffnen einen Blick auf die bisherige Einordnung Isoldes, der gravierend von der bisherigen Darstellung abweicht.
Der erste Teil der Biografie widmet sich der Vorgeschichte und der Geburt Isoldes und ihrer Geschwister. Die bekanntlich in besonderer Weise „Kinder der Liebe waren. Der aufstrebende Komponist hatte sich 1864 unsterblich in Cosima von Bülow verliebt und aus den Beiden wurde umgehend ein Liebespaar.
Erst nach der Geburt des mittlerweile dritten gemeinsamen Kindes Siegfried 1869 kam es zur Scheidung, damit der Stammhalter den Namen Wagner erhalten konnte. An der juristischen Vaterschaft des Cosima-Ehegatten Hans von Bülow an den beiden Töchtern wurde auch weiterhin nichts geändert.
Was sich jedoch erst später – dann aber höchst fatal – auswirken sollte, denn zunächst war Isolde als „wunderliches Wunderkind“ das Lieblingskind ihrer Eltern. Künstlerisch begabt und auch sonst vielseitig talentiert, bekam sie in dieser erzkonservativen Familie allerdings keine Chance, aus ihren Fähigkeiten etwas Eigenständiges zu machen. Im Kaiserlichen Deutschland war es ohnehin einzig erstrebenswert für ein Mädchen, eine gute Ehefrau zu werden.
Für Isolde und ihre Schwestern aber ging die Rollenzuteilung noch viel weiter und ein Zitat der gestrengen Mutter Cosima sagt es eindeutig: „Lebt nur für Siegfried, meine Kinderchen!“ Und das galt umso mehr als unerbittliches Dogma nach dem Tod des als Genie gefeierten Komponisten 1883.
Alles hatte sich dem Kult um ihn, um die Villa Wahnfried und um die Festspiele unterzuordnen. Isolde heiratete den Dirigenten Franz Beidler, der das musikalische Wagner-Erbe hervorragend vertrat. Allerdings so gut, dass der weniger begabte Siegfried Wagner eifersüchtig wurde. Als sich Beidler auch noch erdreistete, sich Anordnungen der Herrin von Villa Wahnfried zu widersetzen, war dies der Beginn einer finsteren Familientragödie.
Dass die ebenso leidenschaftliche wie naive und dabei wie ihr Vater zur Verschwendung neigende Isolde nun auch noch Bayreuth verlassen wollte und Ansprüche stellte, entfachte vor allem bei ihrer Mutter eine hemmungslose Rachsucht. Als Franz Beidler drohte, in diesem Ränkespiel die Homosexualität Siegfrieds öffentlich zu machen, brachen alle Dämme, denn das wäre damals ein Skandal gewesen, der das florierende Unternehmen Wagner/Bayreuth ruiniert hätte.
Endgültig perfide wurde es, als Isolde ihr Erbteil forderte, wozu sie jedoch auch juristisch als Wagner-Tochter hätte anerkannt werden müssen. In einem schmutzigen Prozess verleugnet Cosima Wagner vor Gericht Richard Wagners Vaterschaft, so dass Isolde leer ausging. Der schmutzige Erbschaftskrieg und der ungebremste Hass seitens der Familie setzten Isolde derartig zu, dass sich ihre bereits bestehende Lungentuberkulose derartig verschlechterte, dass sie 1919 mit eben 53 Jahren verbittert verstarb.
Vor allem der zweite Teil dieser wissenschaftlich fundierten und zugleich fesselnd geschriebenen Biografie eröffnet viele neue Sichtweisen auf die bisher offenbar zu Unrecht als verwöhnter Störenfried der Familie angesehene Isolde. Da tun sich Abgründe auf und werfen ein neues Licht auf diesen einzigartigen Künstlerkosmos mit seinen vielen illustren Akteuren.

# Eva Rieger: Isolde. Richard Wagners Tochter. Eine unversöhnliche Familiengeschichte; 347 Seiten, div. SW-Abb.; Insel Verlag, Berlin; € 26

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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