CRAIG BROWN: „ONE TWO THREE FOUR“


Die erste autorisierte Biografie über die Beatles veröffentlichte bereits 1968 der Journalist Hunter Davies. Ihr sollte bis zum Ende der Band im Jahr 1970 und vor allem in den Jahrzehnten danach noch eine Reihe weiterer von recht unterschiedlicher Qualität folgen.
Kann da eine weitere, quasi zum 60-jährigen Jubiläum ihres ersten Schallplattenerfolges („Love me do“), eine sinnvolle Angelegenheit sein? Ganz und gar, denn diesmal hat sie mit Craig Brown ein versierter Autor verfasst, der insbesondere für seine über Jahrzehnte populären Beiträge für das Satiremagazin „Private Eye“ berühmt ist.
Vor allem aber hat der Brite, der mit der Beatles-Musik aufwuchs, dieses Buch unter dem Titel „One two three four – Die fabelhaften Jahre der Beatles“ nicht als Biografie im üblichen Sinne geschrieben. Er erzählt die Geschichte des Quartetts bis zu dessen Auflösung anhand von überlieferten Anekdoten, Sachartikeln, Reflexionen und kleinen Satiren.
Brown nimmt nicht für sich in Anspruch, Neues recherchiert zu haben, vielmehr bekennt er sich zum „Ausplündern“ der unendlichen Fülle an Geschichten, Meldungen, Interviews und anderen Darlegungen über die einzigartige Band aus Liverpool. Was er da aber zusammengetragen und in einen hinreißenden Kontext von 150 kurzen Kapiteln gestellt hat, lässt die unglaubliche Hochzeit der Band als Kompendium der Erinnerungen ungemein plastisch und lebendig werden.
Der Einstieg ist die erste Begegnung der fast unbekannte Rockband mit dem Geburtshelfer ihres Siegeszuges Brian Epstein. Wie sie anch ersten Riesenhits einer Marlene Dietrich die Show stahlen, wie sich John Lennon bei seinem Schwarm Brigitte Bardot zugedröhnt blamierte, Skurriles von der sogenannten Beatlemania oder wie ihnen Bob Dylan zum ersten Marihuana-Rausch verhilft – das liest sich herrlich süffisant weg und beruht doch alles auf Tatsachen.
Natürlich werden die Vier auch einzeln reflektiert, wobei die Gegensätzlichkeit zwischen dem praktischen und geschäftstüchtigen Paul und dem Chaoten und Zyniker John besonders herausgekehrt wird, war sie doch immer wieder von entscheidender Wichtigkeit bei ihrem gemeinsamen kreativen Schaffen als Songwriter. Wobei Craig Brown auch auf einige Songtexte, ihre Bedeutung und den oft sehr privaten Hintergrund eingeht.
Ins Gedächtnis gerufen werden Auftritte, die selbst für Beatles-Verhältnisse herausragend waren wie der legendäre in der amerikanischen Ed-Sullivan-Show oder jener 25. Juni 1967, als vor einem weltweiten Fernseh-Publikum von über 350 Millionen Menschen „All you need is Love“ live vorgestellt wurde.
Und nicht zuletzt belegt der Autor die immense gesellschaftspolitische Bedeutung der Beatles weit über das grundkonservative Großbritannien hinaus. Sie brachen nicht nur daheim das althergebrachte Klassensystem auf, sie gaben der Jugend ein eigenes Selbstbewusstsein. Doch es gibt auch Petitessen und Schmunzelstückchen bis hin zu albernen Fan-Briefen der ersten Jahre.
Fazit: eine Beatles-Biografie der besonderen Art, die zugleich eine ganze Epoche bildhaft und authentisch ins Gedächtnis ruft.

# Craig Brown: One two three four – Die fabelhaften Jahre der Beatles (aus dem Englischen von Conny Lösch); 670 Seiten, div. SW-Abb.; C. H. Beck Verlag, München;
€ 29,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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