NORMAN DAVIES: KING GEORGE
II.
Seltsam vergessen ist Großbritanniens König George II. (1683-1760) und es gibt nicht
einmal ein öffentliches Denkmal von ihm. Dabei war die Stimmung in seinem Todesjahr
euphorisch, denn das Vereinigte Königreich hatte starke Jahre hinter sich und befand sich
im Aufstieg zur weltweit operierenden Großmacht.
Nun hat sich Norman Davies der Vita dieses letzten nicht in England geborenen Monarchen
mit einer eingehenden Biografie unter dem Titel King George II. - Ein deutscher
Fürst auf dem britischen Thron gewidmet. Der englische Geschichtsprofessor rückt
detailliert und zugleich mit leichter Hand das zu unrecht matte Bild des Barockfürsten
gerade.
Als Welfenprinz geboren, erlebte Georg August, späterer Herzog von Braunschweig-Lüneburg
und Kurfürst von Hannover, mit elf Jahren die traumatische Trennung von seiner Mutter
Sophie Dorothea, als diese wegen der sogenannten Königsmarck-Affäre lebenslang unter
Hausarrest gestellt wurde und er sie nie wiedersah. Spätestens von da an auf Dauer im
Gegensatz zum Vater befindlich, folgte er diesem gleichwohl als Kronprinz nach England,
als der zum König George I. erhoben wurde.
Möglich wurde das durch den Act of Settlement mit dem das englische Parlament
1701 katholischen Mitglieder des Hauses Stuart prinzipiell von der Thronfolge
ausgeschlossen hatten. Als dann 1714 Stuart-Königin Anne kinderlos verstarb, erlangte der
protestantische Welfenprinz die englische Krone. Wie später auch sein Sohn hatte er
jedoch zugleich als Kurfürst von Hannover eine bedeutende politische Rolle im Heiligen
Römischen Reich inne.
Als Georg August 1727 auf den Thron folgte, war er vom Tag seiner Krönung an für 33
Jahre ein doppelter Monarch, der sich um seine deutsche Herrschaft intensiv kümmerte und
immer wieder auch dort weilte. Diese zweite Herrschaft als Ausländer war
später ein wesentlicher Grund für allerlei rufschädigende Geschichten und Publikationen
zu seinen Lasten.
Hinzu kam, dass George II. im Gegensatz zu seinem beliebten Vater wenig attraktiv, dafür
aber ein Pedant und Pfennigfuchser mit starker Neigung zur Übellaunigkeit war. In
höheren Kreisen wenig populär war auch, dass er im St. James' Palast Büros für seine
deutschen Minister neben die der britischen platzierte und mit diesen Deutsch redete,
während er in der Familie von Kindheit an die französische Sprache bevorzugte.
Als Herrscher zeigte er wenig eigenen Gestaltungswillen und kümmerte sich persönlich
lediglich um Belange von Militär und Diplomatie. Wobei er eine nicht ungeschickte
Schaukelpolitik der Allianzen betrieb, wie sie in jener Zeit typisch war. Dabei galt sein
Augenmerk besonders und durchaus erfolgreich seinen deutschen Landen. Von seiner
innenpolitischen Zurückhaltung als britischer Monarch profitierte das Parlament, das
unter seiner Herrschaft immer größeren Einfluss eroberte und auf Dauer behielt.
Ein Grundproblem für eine ausgewogene Biografie bereitete trotz umfangreichen
Quellenmaterials, dass von Georg II. keine Tagebücher, Memoiren oder explizite
Meinungsäußerungen überliefert sind. Andererseits gibt Norman Davies mit geschliffener
auch viel Einblick in das Hofleben, die politischen Verhältnisse sowie Wirtschaft und
Gesellschaft der Epoche.
George II. war nie nur ein britischer König und dennoch ist das Ignorieren oder gar
Herabwürdigen dieses Monarchen wie hier nachgewiesen gänzlich ungerecht.
Als er nach 33-Jähriger Herrschaft plötzlich verstarb, hinterließ er sinem Enkel George
III. ein Empire, das sich wirtschaftlich, militärisch und kulturell hervorragend
entwickelt hatte und auf bestem Wege zur Weltmacht war. Was unbestreitbar auch sein
Verdienst war.
Fazit: eine vorzügliche Biografie, die einen von der Geschichtsschreibung
vernachlässigten Monarchen auf fundierte Weise in ein angemessenes Licht rückt und sich
dabei sehr unterhaltsam liest.
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