ALFRED HORNUNG: „AL CAPONE“


Alphonse „Al“ Capone (1899-1947) ist bis heute der Inbegriff des amerikanischen Gangsterbosses. Er kontrollierte die Chicagoer Unterwelt und machte erfolgreich Geschäfte mit illegalem Glücksspiel, Prostitution, Schutzgelderpressung und dem Alkoholhandel in den Zeiten der Prohibition.
Der in New York geborene Sohn italienischer Einwanderer wurde zum Symbol für die organisierte Kriminalität, führte jedoch ein solch wildes Leben, dass es zwar etliche Biografien gibt, diese aber fast durchweg auch Mythen pflegen, die falsch oder zumindest fehlerhaft sind. Um so verdienstvoller ist da die große Biografie von Alfred Hornung unter dem Titel „Al Capone. Der amerikanische Traum und das organisierte Verbrechen“.
Hornung ist Professor für Amerikanistik und Direktor des Obama Institute an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Der vielfach ausgezeichnete Wissenschaftler bekleidete unter anderem das Präsidentenamt der Society for Multi-Ethnic Studies, womit er prädestiniert war für einen oft unterschätzten Aspekt, der für die Entwicklung Al Capones und seinesgleichen grundlegend war: die ethnische Herkunft.
Hier erhellt er schlüssig Fakten und Asuwirkungen bestimmter Einwanderungswellen von Mitte des 19. Jahrhunderts bis um das Jahr 1900. Der Grundstock in der Eigenansicht des US-Amerikaner ist bis heute der anglo-amerikansiche Bürger, angereichert mit weiteren nordeuropäischen Einwnaderern wie den Deutschen und den Iren. Wobei schon diese als überwiegend katholisch einen schwereren Stand hatten.
Um wie viel mehr dann die deutlich dunkelhäutigeren Süd-Italiener wie die Capone-Familie. Aus kleinen Verhältnissen stammend, erwies sich Al Capone schon als Teenager nicht nur als sehr lernfähig, durchsetzungsstark und skrupellos, er hatte des absoluten Willen, sich den amerikanischen Traum zu erfüllen. Der Biograf stellt diesbezüglich einige verblüffend explizite Vergleiche zum bekanntermaßen ähnlich „durchsetzungsfreudigen“ Donald Trump an.
So wie auch dieser ein Musterbeispiel bei der ausgesprochen narzisstischen Interpretation des American Dream istr, praktizierte Capone wie später der US-Präsident die Konstruktion einer auf Lügen basierenden alternativen Realität. Wobei sich Al Capone mit explizit kriminellen Mitteln ein Wirtschaftsimperium als Parallelgesellschaft zur Erfüllung seines Strebens schuf.
Fundiert und akribisch recherchiert beschreibt Alfred Hornung den furiosen Weg des sozialen Underdogs zur machtvollen Größe in der Millionenstadt Chicago. Ein stetes Problem für jeden Biografen ist dabei neben den oft widersprüchlichen Mythen und unsicheren Erinnerungen von Zeitzeugen vor der Mangel an dokumentarischen Quellen über Leben und Geschäfte Capones. Hier gehört es zu den besonderen Qualitäten dieses Autors, dass er überall dort, wo auch er auf Spekulationen aufbauen muss, dies auf wissenschaftlichem Niveau tut.
Entstanden ist das realistische Bild eines völlig widersprüchlichen Menschen, bei dem alles früh, schnell und maßlos passierte. Und während er ein zeitlebens treusorgender Familienvater war – der allerdings seine Frau und seinen schon als Teenager gezeugten einigen Sohn mit Syphilis angesteckt hatte – und sich nicht nur wegen seiner Suppenküchen für Arbeitslose als „Wohltäter der Menschheit“ aufführte, pflasterten Leichen seinen Weg als knallharter Gangsterboss.
Blutige Bandenkriege, das legendäre Valentinstag-Massaker von 1929 und Capone pflegte Familienidylle in der Villa im sonnigen Florida. Und während ihn einerseits offenbar auch die fortschreitenden Auswirkungen seiner nie behandelten Syphilis immer selbstherrlicher und unberechenbarer werden ließen, veränderten sich Anfang der 30er Jahre wichtige Rahmenbedingungen.
Mit Herbert Hoover kam ein neuer Präsident, der schärfer gegen die grassierende Kriminalität vorging. Chicago wählte den korrupten Bürgermeister ab und die ehrbaren anonymen „Secret Six“ starteten mit viel Geld eine Image-Kampagne gegen „Public Enemies“ - womit vor allem Al Capone und der Heldenkult um ihn angegriffen wurden. Endgültig fatal aber sollte sich die neue Gangart der Bundessteuerbehörde IRS auswirken.
Der später selbst zur Legende gewordene Eliot Ness und seine „Untouchables“ sorgten dafür, dass der Schwerverbrecher, der auch für zahlreiche Morde verantwortlich war und doch nie verurteilt werden konnte, nun als Steuersünder aus dem Verkehr gezogen wurde. „Das Einkommenssteuergesetz ist ein großer Quatsch. Die Regierung kann keine legalen Steuern von illegalen Geldern einfordern“, tönte Al Capone noch selbstherrlich und saß zur Zeit der heftigsten Bandenkriege einen ersten Warnschuss noch als Schutzhaft sehr komfortabel ab.
Im Oktober 1931 aber schlug das Gesetz wegen massiver Steuersünden zu und weil Capones Rechtsvertretung unklug und fehlerhaft arbeitete, kamen dabei elf Jahre Freiheitsstrafe heraus. Und diesmal wurde dem „Public Enemy # 1“ ab 1934 sogar eine besonders üble Ehre zuteil: Haft im neuen Hochsicherheitsgefängnis von Alcatraz. Aus der er wegen guter Führung zwar schon im März 1940 vorzeitig, wegen der fortschreitenden Syphilis aber als Wrack freikam. Der Verfall war unaufhaltsam und endete im Januar 1947 mit einem Schlaganfall kurz nach seinem 48. Geburtstag.
Der Biograf leuchtet diese Vita treffsicher und bei aller Wissenschaftlichkeit auch unterhaltsam aus. Im Nachgang geht er außerdem noch auf die Vermarktung des Phänomens ein, das für Hollywood ein Quell immer neuer Kassenschlager war. Al Capone: ein Markenzeichen und eine feste Größe im kulturellen Gedächtnis Amerikas und Alfred Hornung hat dazu die wohl ultimative Biografie geschrieben.

# Alfred Hornung: Al Capone. Der amerikanische Traum und das organisierte Verbrechen; 319 Seiten, div. SW-Abb.; wbg THEISS Verlag, Darmstadt; € 32


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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