JENS NORDALM: „DER SCHÖNE DEUTSCHE“


Gottfried von Cramm (1909-1976) war der vermutlich größte Gentleman des Tennissports und eine Legende als „Tennis-Baron“. In seinen Hochzeiten in den 30er Jahren war er eine Zeitlang der Zweitbeste der Weltrangliste und stand dreimal im Wimbledon-Finale. Auch wegen seiner gerühtmten Noblesse war er gewissermaßen international der Gegenentwurf zu den „hässlichen Deutschen“, die sich seit 1933 rüde zu Herrenmenschen aufschwangen.
Der Dozent, Redenschreiber und Journalist Jens Nordalm hat nun unter dem Titel „Der schöne Deutsche. Das Leben des Gottfried von Cramm“ eine Biografie zu dieser Ausnahmepersönlichkeit verfasst. Der Zugang des Autors zur Vita wurde stark unterstützt durch den Zugang zu vielen Originalquellen aus dem Familienarchiv wie auch durch die Auswertung der Prozessakten von 1938.
Der Edelsportler stammte aus ältestem deutschen Adel, wuchs wie seine sechs Brüder auf den Schlössern der Familie und mit Privatunterricht auf. So quasi mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel im Mund geboren, ging er nach dem Abitur 1929 ins brodelnde Berlin der Goldenen 20er. Wo er sich schnell zu einem bald auch international erfolgreichen Tennisspieler entwickelte.
So wie Tennis damals schon aus finanziellen Gründen ein upper class Sport war, war auch die sonstige Lebensführung so glamourös, wie es sich nur ein gut betuchter Adelsspross leisten konnte. Was dann ebenso für die bald geehelichte Lisa von Cramm – ebenfalls aus altem Adel gebürtig – galt, die dem gleichermaßen höheren Kreisen vorbehaltenen Hockey-Sport frönte. Das elegante attraktive Paar lebte in offener Ehe und beide bereicherten die hedonistische Szene Berlins.
Als Sportler glänzte von Cramm mit exzellentem Tennis und einer viel gerühmten Noblesse. Noch heute gitl er als elegantester Tennisspieler aller Zeiten. Und war mit seiner unverhohlenen Abneigung Hitlers ein rotes Tuch für die Nazis. Die ihn 1938 dann auch auf hässliche Weise aus dem Verkehr zogen: seine homosexuellen Neigungen wurden ihm zum Verhängnis und die Nazis hatten mittlerweile den berüchtigten Schwulen-Paragraphen 175 verschärft.
Schon wegen seiner öffentlichen Unterstützung für den ausgebremsten Tennis-Kollegen Prenn als „Judenfreund“ geschmäht, legte man ihm nun eine Affäre mit dem Schauspieler Manesse Herbst zur Last, der obendrein auch noch Jude war. Ein Jahr Gefängnis hießt das Urteil, von dem von Cramm jedoch nur sieben Monate absitzen musste. Offenbar dank Intervention seiner Mutter bei Hermann Göring – Mitglied im selben Spitzenclub LTTC Rot-Weiß Berlin! - sowie des schwedischen Königs, dessen Trainer und Freund von Cramm war.
Während hunderttausende Homosexuelle sogar ins KZ kamen, musste der adlige Sportstar lediglich für knapp zwei Jahre als Soldat an die Ostfreund. So schmerzlich der Karriereknick auch gewesen sein mag, von Cramm fiel vergleichsweise sehr weich. Und spätestens hier muss man dem Biografen eine ausufernde Huldigung der Adelskreise, ihrer immer wieder aufgeführten distingierten Beziehungsgeflechte und dem überbordenden Mitleid für die Schicksalsschläge eines Menschen, der den größten Teil seines Lebens trotz dieses Knicks auf der Sonnenseite des Lebens verbrachte.
Während rundum Millionen von Menschen noch in Ruinen hausten, nahm der Adelsspross nun seinen Wohnsitz auf dem Rittergut Wispenstein. Und während er noch etliche Jahre auf höherem Niveau dem weißen Sport nachgehen konnte, baute er sich eine bürgerliche Existenz mit einem Baumwollunternehmen auf. Und sorgte noch einmal einmal für ein echtes Rauschen im Blätterwald der internationalen Presse, als er eine Freundin aus den 30er Jahren heiratete: Barbara Hutton, die seinerzeit reichste Frau der Welt.
Abgesehen von den Kritikpunkten – die ja nicht gegen Gottfried von Cramm gehen – ist dies eine interessante Biografie zu einer geradezu filmreifen Lebensgeschichte. Wobei allerdings persönliche Ansichten und Empfindungen des Tennis-Barons gern hätten etwas eingehender sein dürfen, denn dessen Persönlichkeit erfährt ihre Konturen sehr weitgehend nur durch die Außenansicht.

# Jens Nordalm: Der schöne Deutsche. Das Leben des Gottfried von Cramm; 286 Seiten, div. Abb.; Rowohlt Verlag, Hamburg; € 24


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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