ROLAND KAISER:
SONNENSEITE
Als Teenager hörte er die Rolling Stones statt deutsche Schlager. Nachdem er jedoch
ausgerechnet damit zum umjubelten Star geworden war, stellte Roland Kaiser fest: Es
störte mich, dass viele einen Schnulzenstar in mir sahen. Ich konnte mehr.
Über sein bewegtes Leben hat der noch immer sehr rührige Schlagerkönig nun die
Autobiografie Sonnenseite geschrieben, unterstützt dabei von Sabine
Eichhorst. Mögen auch manche seiner Lieder die typischen und ja meist berechtigten
Klischeevorwürfe erfüllen, seicht ist dieser am 10. Mai 1952 als Ronald Keiler
geborene Entertainer nicht. Was er im Übrigen auch als Texter oft genug bewiesen hat und
das nicht nur für eigene Aufnahmen sondern selbst für solche schlagerunverdächtigen
Kollegen wie Peter Maffay oder Karat.
Gradlinig und immer wieder auch anrührend schildert Kaiser zunächst seine Kindheit und
Jugend. In sehr bescheidenen Verhältnissen wächst er mit seiner Mutter und deren
Schwester im Berliner Arbeiterviertel Wedding auf und erfährt erst mit 14, dass diese
herzensgute Ella Oertel seine Pflegemutter ist. Die minderjährige leibliche Mutter hatte
ihn weggegeben.
Er war 15, als Mutter Ella an einem Schlaganfall starb, doch es war deren deutlich besser
situierte Schwester Lisbeth, die den Jungen vorm Waisenhaus bewahrte und aufnahm. Die
große Dankbarkeit für die Geborgenheit in der Kindheit und die Tugenden, die ihm seine
Mutter anerzog, betont Roland Kaiser im Verlauf des Buches gleich mehrfach aus.
Sachlich, wohltuend uneitel und oft auch selbstkritisch schildert er dann den Weg vom
Mitarbeiter eines Ford-Händlers mit Mittlerer Reife und kaufmännischer Ausbildung zum
Dauergast in der ZDF-Hitparade und den Hitlisten. Dabei hatte er es gar nicht angestrebt
und sich lediglich von Lothar Kämpfe, Versicherungsvertreter für das Autohaus, zum Hansa
Musikstudio lotsen lassen, wo dessen Bruder arbeitete. Ohne ernsthafte Ambitionen sang
Kaiser den Elvis-Hit In the GhettoE ein und Hansa-Boss Thommy Reichel gab ihm
sofort einen Dreijahresvertrag!
Von dem, was sich nun allmählich und dann immer schneller entwickelte, erzählt Kaiser
mit vielen Anekdoten und tiefen Einblicken hinter die Kulissen. Da gibt es köstliche
Geschichten wie die von der Entstehung von Santa Maria, dem Millionseller, der
1980 seinen endgültigen Durchbruch besiegelte. Dabei war der in weinseliger Laune
ausbaldowerte Text eigentlich als Persiflage gedacht.
Natürlich spricht Kaiser auch offen über sein Privatleben, seine drei Ehefrauen, seine
Kinder. Und wie er nach der ersten Phase im Überschwang des Erfolgs reichlich arrogant
geworden war: Der Mistkerl, der ich geworden war, wollte ich nicht länger
sein. Sehr privat und zugleich spannend und ausführlich folgt schließlich das
Kapitel, als sein Leben in die ganz große Krise geriet: im Jahr 2000 wäre er fast an
Atemstillstand gestorben. Die Diagnose nach sofortiger Einlieferung ins Krankenhaus: COPD.
Diese chronisch-obstruktive Bronchitis warf den starken Raucher erstmal völlig aus dem
Rennen. Zwar konnte er unter erheblichem medizinischen Aufwand bald wieder auftreten, doch
Anfang 2010 sah er sich gezwungen, seinen Bühnenrücktritt zu verkünden. Um so
fesselnder liest sich dann das Kapitel seine zweiten Lebens, das noch im
Februar desselben Jahres mit einer Lungentransplantation begann.
Und tatsächlich eroberte der chronische Optimist nicht nur das Leben sondern
mit überwältigendem Erfolg auch Bühnen und Hitparaden zurück. Und der Berliner Junge,
zu dessen zahlreichen Auszeichnungen unter anderem auch das Bundesverdienstkreuz gehört,
ist auch ein politischer und sozial engagierter Mensch. Wohl nicht zuletzt unter dem
Eindruck der eigenen Herkunft und zweier Idole, deren berühmte Rden er als Junge im
geteilten Berlin hörte: Willy Brandts Mauerrede 1961 und John F. Kennedys legendäre
Ich bin ein Berliner von 1963 beide übrigens hier in voller Länge
abgedruckt.
Fazit: dieser souveräne Entertainer ist alles als nur ein Schlagerfuzzi -
dieser Mann hat wirklich viel zu erzählen und er tut das auf überzeugende Weise.
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