KATAJUN AMIRPUR: „KHOMEINI“


Mit seinem strengen finsteren Blick, dem langen Bart und dem schwarzen Turban gehört Ruhollah Musawi Khomeini (1902-1989) zu den prägendsten Ikonen unter den herausragenden historischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Kein anderer Revolutionär hat die islamische Welt je derartig folgenreich verändert. Doch wer dieser Ayatollah aus der Provinz wirklich war, gibt bis heute Rätsel auf.
Um so verdienstvoller ist die erste umfassende Chronik seiner Vita in deutscher Sprache unter dem Titel „Khomeini. Der Revolutionär des Islam. Eine Biographie“. Verfasst hat sie Katajun Amirpur, in Köln geborene Deutsch-Iranerin und Professorin für Islamwissenschaften an der Universität ihrer Geburtsstadt.
Chronologisch geht sie vor und befasst sich zunächst mit den wenig bekannten Ursprüngen des Sohnes eines Klerikers. Früh ließ er sich selbst zum Geistlichen ausbilden und war dann bereits mit Mitte 30 im höchsten Rang eines schiitischen Rechtsgelehrten. Die Chronistin stellt auch seine wichtigsten Lehrer und Weggenossen vor. Die besondere Rolle, die Khomeini dann einnahm, rieb sich am Schah-Regime und stand zugleich im Gegensatz zur grundsätzlichen Zurückhaltung des Klerus in politischen Angelegenheiten.
Zunehmend verband er öffentlich die nationale mit der konstitutionellen und der religiösen Frage. Khomeini stärkte damit eine erst entstehende religiöse Opposition und schuf die Grundlagen dessen, was später als „Islamische Revolution“ nicht nur den Iran massiv verändern sollte. Zu seinem herausragenden Redetalent und einem überwältigenden Charisma kamen seine unbeugsame Beharrlichkeit aber auch ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit als Geistlicher.
Damit stellte er sich unerschrocken und kompromisslos offen gegen das repressive Schah-Regime, als Reza Pahlevi 1963 den Iran mit der sogenannten „weißen Revolution“ in die Moderne stoßen wollte. Khomeini fand so viele Unterstützer bis in die linke und die bürgerliche Opposition, dass es zum Aufruhr kam, als er erstmals verhaftet wurde. Es folgten Phasen der Verbannung und schließlich das Exil in Paris. Aufgezeigt wird der Weg von der Vertreibung des verhassten Schahs bis hin zu der von Millionen umjubelten Rückkehr des unbeugsamen Religionsführer am 1. Februar 1979.
Katajun Amirpur beschreibt die Begeisterung, die quer durchs Volk ging und dann doch so bald enttäuscht wurde, als der scheinbar unpolitische Ayatollah mit harter Hand eine rigorose Theokratie installieren ließ. Wie angekündigt, werden vor allem die Rechte der Frauen drastisch beschnitten – seinen offiziellen Verlautbarungen nach sollten sie schlichtweg aus der Öffentlichkeit verschwinden.
Um so überraschender liest man nun nicht nur, dass dieser kalte Kleriker Liebesbriefe und Gedichte an seine Frau geschrieben hat und – zwei seiner Töchter wurden sogar Universitätsprofessorinnen. Und der gleiche geradezu allmächtige Religionsführer, der ungerührt zehntausende von Kindern und Jugendlichen im Krieg gegen den Irak (1980-1988) an vorderster Front verheizen ließ, wird von seinen Enkeln als warmherziger und großzügiger Großvater verehrt.
Allerdings sei hier anzumerken, dass die Ausführungen hinsichtlich der Rolle Khomeinis während des Krieges recht blass bleiben. Aber immerhin gelingt der Autorin eingedenk der bis heute scharfen Gegensätze von höchster Verehrung und tiefstem Hass gegenüber dem schiitischen Revolutionärs ein spannendes und relativ ausgewogenes Porträt dieses rätselhaften Mannes.
Da überraschen sogar Fotos aus dem Familienalbum und Zitate aus zärtlichen Gedichten aus der Feder des andererseits so frauenfeindlichen Klerikers. Fazit: eine gut lesbare Biographie über einen bis heute schwer durchschaubaren und widersprüchlichen Theokraten von düsterer Faszination.

# Katajun Amirpur: Khomeini. Der Revolutionär des Islam. Eine Biographie; 352 Seiten, div. SW-Fotos; C. H. Beck Verlag, München; € 24,95

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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