JENNY OFFILL: WETTER
Jenny Offill gilt als eine der wichtigsten zeitgenössischen US-Autorinnen und ihre Romane
werden gerühmt. Das ist auch bei dem jüngsten unter dem Titel Wetter so,
dabei ist das eigentlich gar kein Roman im Klassischen Sinn.
Ich-Erzählerin ist die New Yorker Bibliotheksangestellte Lizzie Benson, etwa 40,
verheiratet mit dem studierten Philosophen Ben, der aber als Programmierer arbeitet.
Mindestens so wichtig wie Sohn Eli, der noch zur Schule geht, ist ihr Bruder Henry,
ehemaliger Junkie und immer noch gefährdet.
Statt einer regelrechten Handlung schildert Lizzie Alltagsszenen aus ihrem Leben und oft
sind es nur wenige Sätze, die einen Sachverhalt umreißen. Doch es geht nicht nur um ihre
eigenes Befinden und ihr Privatleben. Die Sorgen um den Klimawandel und andere drohende
Gefahren spielen immer wieder hinein und Katalysator hierfür ist die Blogarbeit, die
Lizzie für ihre einstige Professorin Sylvia leistet. Da machen sich in der
heraufziehenden Trump-Zeit auch krasse Stimmungen von linken Untergangsapologeten bis zu
rechtsextremen Spinnern breit.
Da schildert sie krude Reaktionen auf dem erfolgreichen Podcast mit dem schönen Namen
Komme, was wolle mit abstrusen Ideen grundsätzlich intelligenter Menschen,
denen aber offenbar jeglicher Kompass abhanden gekommen ist. Es sind manch düstere
Gedankengänge, die dennoch dank des leichtfüßigen lakonischen und selbstkritischen Tons
nie herunterziehen.
Dabei ist auch Lizzies eigene Lebensentwicklung gar nicht zu Höhenflügen angetan. Was
auch an ihrem mäßig ausgeprägten Selbstbewusstsein liegt, das schon äußerlich
auffällig zu seins cheint, wenn Bruder Henry feststellt, sie würde sich anziehen
wie ein kleiner unauffälliger Vogel. An Henry hängt sie sehr und so verfolgt sie
mit Freude und Sorge, wie er die schwangere Catherine heiratet. Und während Ehemann Ben
auswärts jobbt, lernt Lizzie einen Herrn namens Will kennen die Folgen bleiben
offen.
Der zuweilen beinahe fröhliche Fatalismus zieht sich durch dieses Sammelsurium von sehr
unterschiedlichen Szenen, das ein diffuses Bild aus der Gegenwart zeichnet. Eher wie ein
Ein-Personen-Theaterstück als ein Roman aufgezogen, glänzt diese Prosa immer wieder mit
funkelnden Sätzen und Passagen. Oder solch herben Anwürfen wie dem des kleinen Eli:
Bis du sicher, dass du meine Mutter bist? Manchmal kommst du mir vor, als wärst du
dafür nicht gut genug.
Fazit: wer das Außergewöhnliche mag, gediegene und oft knochentrockene Wendungen und
schonungslose Blicke auf die Brüche in der gespaltenen US-Gesellschaft, der wird
Wetter genießen.
|