ALAA AL-ASWANI: DIE REPUBLIK
DER TRÄUMER
Als der Arabische Frühling mit einer Großdemonstration auf dem Kairoer Tahrir-Platz am
25. Januar 2011 auch in Ägypten ausbrach, gehörte der Schriftsteller und Zahnarzt Alaa
al-Aswani nicht nur zu den Demonstranten, er war sogar als Mitbegründer der
Oppositionsbewegung Kifaya als Aktivist dabei.
Und der Erfolgsautor schrieb hernach den hochpolitischen Roman Die Republik der
Träumer über dieses Aufblühen der Demokratie. Dem bekanntlich nur eine kurze
Lebensdauer beschieden war. Was er hier an Authentischem offenbart, sorgte nach der
brutalen Konterrevolution selbstredend dafür, dass das Buch 2018 im Libanon erstmals im
arabischen Original erschien, in seiner Heimat aber vermutlich nie herauskommen wird.
Zu entlarvend und satirisch setzt das Geschehen bereits ein, wenn es zunächst die
Tagesroutine des Geheimdienstchefs Generalmajor Aswani schildert. Der beginnt den Tag mit
einem Pornofilm und dem Genuss ehelicher Pflichten und dann gönnt er, so ermuntert, im
Hauptquartier zur Einstimmung den Besuch im Folterkeller. Zum vielfältigen
Personentableau gehört jedoch ein ganzer Querschnitt der ägyptischen Bevölkerung.
Das reicht von der Lehrerin Asma und ihrem Geliebten Mazen über den unbedeutenden aber
wohlhabenden Schauspieler Wissa bis zu dem Ingenieur Issam und seiner herrschsüchtigen
Frau Nurhan. Besondere Rollen spielen schließlich noch Chaled und Dania, denn sie ist die
Tochter des Generalmajors und ausgerechnet mit dem Bürgerrechtler Chaled befreundet.
Aus den sehr verschiedenen Perspektiven und mit teils ungewöhnlichen stilistischen
Mitteln verfolgt al-Aswani die Wege seiner Akteure in den wild bewegten Wochen, in denen
mit dem Rücktritt des Langzeit-Diktators Mubarak die Demokratie Erfolg zu haben scheint.
Doch wie sieht es in dieser Bevölkerung aus, die da scheinbar obsiegt hat und mitsamt der
staunend zuschauenden Weltöffentlichkeit in Jubel ausbricht?
Nicht von ungefähr hat der Autor seinem Roman im Original den Titel Republik
Als-ob gegeben, denn diese vermeintlich verbrüderten Massen sind seit undenklichen
Zeiten geprägt von Bigotterie und Heuchelei. Vor allem aber verbunden mit einer korrupten
Unterwürfigkeit und gewohnt an Staatsgewalt und Perspektivlosigkeit.
Bewusst hat sich al-Aswani in dem teils recht plakativen Schilderungen auf diese kurze
Scheinblüte beschränkt. Mit der Ahnung, dass es hinter den Kulissen einen Plan gab und
was aber nur eine gut begründete Vermutung ist ein konspiratives Treffen
zwischen dem Geheimdienstchef und dem Generalsekretär der Muslimbrüder. Da reichte
schließlich ein einzelner Schuss zur, um die demokratischen Blütenträume zu zerstreuen.
So endet der Roman noch vor Mursi und al-Sisi, aber mit der bitteren Bilanz der Lehrerin
Asma, die die brutale Machtdemonstrationen am eigenen Leib erfahren hat und den hehren
Traum desillusioniert als große Lüge ahnungsloser Träumer geißelt.Und der Autor lässt
keinen Zweifel daran, dass er höchst pessimistisch bezüglich eines wirklichen Arabischen
Frühlings ist weil die Ägypter dafür irgendwie nicht gemacht sind.
Fazit: ein komplexer und sehr politischer Roman, kein literarischer Höhenflug, jedoch
ebenso authentisch wie real zum besseren Verständnis dieser von Beginn an hoffnungslosen
Revolution.
|