ELKE HEIDENREICH: MÄNNER IN
KAMELHAARMÄNTELN
Elke Heidenreich und Mode? Die Frage stellt sich sofort, wenn man den Titel ihres
jüngsten Buches liest: Männer in Kamelhaarmänteln. Und man liegt halbwegs
daneben, denn der Untertitel lautet Kurze Geschichten über Kleider und Leute
und es sind überwiegend kurze Episoden, die häufig weit mehr nach ihrer früheren
Radiofigur Else Stratmann als nach Modeblatt klingen.
Es beginnt der der Erinnerung an Mädchenjahre, in denen Hosen streng den Jungs
vorbehalten waren. Wie ohnehin die meisten der 60 Episoden autobiografisch geprägt sind.
Das aber so direkt und freiweg, wie man es von dieser wortmächtigen Autorin seit
Jahrzehnten kennt. Da nimmt sie so manche Verrücktheit aber auch sich selbst auf die
Schippe und macht unmissverständlich deutlich, dass sie nie konkrete Ansätze zum
Modepüppchen hatte.
Stattdessen stelle man sich mal Elke Heidenreich im Kreise ihrer Freundinnen vor, wie sie
ein Geburtstagspäckchen vom neuen Verehrer auspackt mit Reizwäsche! Und neben
manchen weiteren oft herzhaft witzig-selbstironischen Anekdoten gibt es auch die
speziellen Erlebnisse wie mit Modepapst Lagerfeld, an dem sie bei einer Talkshow einen
blauen und einen schwarzen Socken entdeckte. Er fand weder den Missgriff noch, dass sie
ihn verbalisierte, sonderlich witzig.
Doch auch da, wo die spitzzüngige Autorin einfach nur ihre Fantasie schweifen lässt,
amüsiert sie mit spitzbübischer Satire wie bei der Geschichte über die Kleiderordnung
im Himmel. Welche Berühmtheiten ihre eitlen Spielchen miteinander treiben, wird von Gott
mit gelangweilter Gelassenheit ignoriert. Er selbst wandelt übrigens im Armani-Anzug
einher und trägt eine Fielmann-Brille. Und wenn ihn das Treiben zu arg nervt, schickt er
Karl Marx im Nachthemd als Stellvertreter ans Himmelstor.
Ob Chanel-Kostüm oder Altfrauenkleider, Elke Heidenreich liebt Kleidung und mokiert sich
über Modetorheiten: Das Einfach muss man können das Aufgeblasene kann
jeder. Gekonnt beschreibt sie dazu immer wieder auch, was die Kleider, die man
trägt, mit dem Träger selbst machen. Fazit: ein ebenso unterhaltsames wie geistreiches
Büchlein.
Und wenn es doch etwas zu kritisieren gibt, liegt es nicht in der Schuld der Autorin
das krasse Preis-Leistungsmissverhältnis. Bei einem Preis wie für einen normal
umfangreichen Roman werden offiziell ganze 224 Seiten geboten. Von denen allerdings 16
maximal ein Wort enthalten und etliche weitere nicht mal zu einem Viertel bedruckt sind.
Schade.
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