MIEKO KAWAKAMI: BRÜSTE UND
EIER
Als Mieko Kawakami 2008 ihre Novelle Brüste und Eier veröffentlichte,
erregte sie viel Aufsehen und gewann den renommierten Akutagawa-Preis dafür. Danach
weitete sie die Geschichte deutlich aus und formte daraus einen großen Roman unter
demselben Titel, der nicht nur in ihrer japanischen Heimat auf hohe Beachtung stieß.
Immerhin widmet sich die Autorin darin der Rolle der Frau in der heutigen Gesellschaft,
die in Japan noch heute so traditionell männlich geprägt ist, dass Frauen ihre Männer
mit Gebieter ansprechen. Hier aber stehen zwei Vertreterinnen des
Hausfrauengeschlechts im Mittelpunkt, diesem Klischee nicht entsprechen.
Natsuko Natsume ist in Buch das der ursprünglichen Novelle entspricht
soeben 30 geworden, lebt als Single in Tokyo und schlägt sich mit schriftstellerischer
Arbeit durch. Ein Partner kommt schon deshalb nicht in Frage, weil sie völlig asexuell
ist. Im Übrigen hat sie sich bis zu diesen sehr bescheidenen Lebensumständen aus
prekären Verhältnissen hochgearbeitet auch das im standesbewussten Japan ein
Tabuthema.
Nun kommt ihre Schwester Makiko aus Osaka zu Besuch und ihre zwölfjährige Tochter
Midoriko begleitet sie dabei. Die Enddreißigerin widerspricht als alleinerziehende Mutter
ebenfalls der üblichen Frauenrolle, obendrein verdient sie ihren Lebensunterhalt als
sogenannte Hostess in einer Bar. Ihre aktuell größte Sorge entspringt ihrem vermeintlich
alternden Körper und nach Tokyo gekommen ist sie denn auch auf der Suche nach Angeboten
für eine Brustverschönerung, die erschwinglich für sie wäre.
Midoriko, mit der unaufhaltsam nahenden Geschlechtsreife hadernd, spricht seit Monatenh
nicht mehr mit ihrer Mutter. Sie äußert sich hier über Tagebucheintragungen, die auf
geschickte Weise sprachlich authentisch und kursiv eingebaut sind. Schon das noch kaum
wahrnehmbare Wachstum ihrer Brüste empfindet sie als voll eklig, um wie viel
mehr das Hecheln ihrer Mutter nach der operativen Vergrößerung der ihren. Da sind
Konflikte vorgezeichnet, die dann auch ausbrechen.
Buch 2 aber, das rund zehn Jahre weiterspringt, konzentriert sich dann vor allem auf den
immer intensiver werdenden Wunsch Natsukos nach einem Kind. Natürlich ohne persönlichen
Kontakt mit einem Mann, aber ein per künstlicher Befruchtung gezeugtes und selbst
ausgetragenes soll es auf jeden Fall sein entgegen sämtlichen herkömmlichen
japanischen Gepflogenheiten. Sie ringt mit sich und sie ringt sich schließlich durch zu
dem Schritt und so viel sei verraten: am Ende des Buches steht eine Geburt.
Natsuko tritt als mit ihren Wünschen wie auch mit den Traditionen hadernde
Ich-Erzählerin überzeugend auf. Brüste und Eier offenbart einen sehr
offenen weiblichen Blick auf die sich nur sehr langsam wandelnde japanische Gesellschaft,
in der sich die Frauen nur mühsam gegen massive Widerstände eine neue freiere Rolle
erkämpfen. Fazit: ein ungewöhnlicher, sehr detaillierter und nicht immer leicht zu
lesender Roman, der aber auch gerade deshalb besonders fesselt.
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