JODI PICOULT: DER FUNKE DES
LEBENS
Auch in ihrem mittlerweile 24. Roman hat Erfolgsautorin Jodi Picoult wieder ein heißes
Eisen angepackt und wurde dabei zugleich so politisch wie nie zuvor. Das Thema: Gewalt
gegen eine Klinik, die auch Abtreibungen vornimmt. Was das Buch in den USA auf Platz 1
brachte und für viele Diskussionen sorgte.
Der Funke des Lebens lautet der deutsche Titel und die Grundidee ist schlicht
krass: wie kann man Menschen umbringen, um ungeborenes Leben zu retten? Oder ein bereits
beendetes ungeborenes Leben als selbsternannter Racheengel sühnen? Vor acht Stunden
war ihm dies noch als heiliger Kreuzzug erschienen, schießt es dem Eindringling
durch den Kopf, als es bereits Tote und Verletzte gegeben hat.
George Goddard heißt der Täter, der in die auch in der Realität einzige
noch verbliebene Klinik im äußerst konservativen US-Bundesstaat Mississippi eingedrungen
ist, die überhaupt noch die gesetzlich erlaubten Abtreibungen vornimmt. Dabei wird sie
übrigens täglich belagert von Anti-Abtreibungsaktivisten, die jede Patientin schmäht,
die die Klinik aufsuchen will. Einschließlich der Mehrheit der Frauen, die aus normalen
gynäkologischen Gründen kommen.
Jodi Picoult überrraschjt dabei dramaturgisch, indem sie das dramatische Geschehen von
hinten erzählt. Was den Loeser zuerst um 17 Uhr an diesem sonnigen Tag in das
Herzschlagfinale führt. Goddard hat bereits eine Menge Blut vergossen, doch dem
Vermittler der Polizei gelingt es tatsächlich, zähe Verhandlungen mit ihm aufzubauen.
Wobei Hugh McElroy mit einem besonders bedrückenden Umstand fertig werden muss: eine der
Geiseln ist seine Tochter Wren.
Hugh wusste nicht, dass die 15-Jährige mit ihrer Tante Bex nur hier war, um sich erstmals
die Pille verschreiben zu lassen. Auch unter den anderen bedrohten Frauen befindet sich
nur eine, die überhaupt wegen einer Abtreibung hier weilt. Obendrein ist Krankenschwester
Izzy ebenfalls schwanger und denkt über den gleichen Schritt nach.
Dann wäre da noch die Rentnerin Olive, die einfach nur Unterleibsprobleme hat, wogegen
die junge Janine gewissermaßen in der Falle sitzt, denn sie ist quasi als Undercover
hier: die Anti-Abtreibungsaktivistin hat sich als vermeintliche Abortwillige
eingeschlichen, um die Klinik auszuspionieren.
Zu den illsutren Charakteren, die allesamt hervorragend gezeichnet sind und auch mit ihrem
Hintergrund umrissen werden, gehört außerdem Louie Ward, Geburtshelfer und Gynäkologe,
der für Abtreibungen zu verschiedenen Klinken fährt. Er ist gläubiger Christ und gerade
als solcher von seinem Tun überzeugt. Der Beweggrund seines Handelns ist der Tod seiner
Mutter durch eine illegale Abtreibung.
Parallel zu den fesselnden Ereignissen erlebt man auch das Elend der 17-jährigen Beth.
Sie liegt in Handfesseln mit schweren Unterleibsblutungen im Krankenhaus einer anderen
Stadt. Ihr steht eine Anklage wegen Mord bevor, weil sie ihren Fötus in der 16. Woche
durch die Einnahme von frei gehandelten Medikamenten abgetrieben hat. Die gesetzlichen
Bestimmungen für Abtreibungen variieren extrem zwischen den Bundesstaaten und erfuhren in
den letzten Jahren viele Verschärfungen.
Jodi Picoult beschönigt nichts, doch sie ergreift auch nicht Partei. Sie offenbart auf
beiden Seiten ehrliche Argumente, führt aber auch vor Augen, welch quälend zwingende
Gründe die Mädchen und Frauen fast durchweg haben, wenn sie den schweren Schritt
unternehmen. An einem jedoch lässt auch sie keinen Zweifel: es ist pervers, mit
christlichen Argumenten für die Unantastbarkeit des Lebens zu kämpfen und anders
Gesonnene eben dies dafür zu nehmen.
Im Anhang weist die Autorin auf die hunderte von teils schweren Straftaten seitens
derartiger Aktivisten hin. Und nennt den geltenden Grundsatz: Das Justizministerium
der USA bewertet extremistische Abtreibungsgegner als nationale Terrorbedrohungen.
Fazit: ein exzellent geschriebener packender Roman zu einem Thema, das tief bewegt. Und
wenn er trotz aller Dramatik auf wilde Action verzichtet, nimmt gerade das ihm das
Reißerische und gibt ihm viel Tiefe.
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