MARIO MARKUS: 222 JUDEN
VERÄNDERN DIE WELT
Mario Markus, emeritierter Professor für Physik an der Universität Dortmund, hat ein
Buch ganz außerhalb seines Metiers verfasst, das nicht nur ihm ein Herzensbedürfnis war
es war überhaupt einfach überfällig.
222 Juden verändern die Welt lautet der Titel und diese Sammlung von
Kurzbiografien jüdischer Persönlichkeiten stellt ein so noch nie dagewesenes
Spezial-Lexikon dar. Die aufgezählten und jeweils mit wenigen Seiten porträtierten
Weltveränderer reichen von Abraham nicht weniger als der Urvater der
Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam bis Zuckerberg.
Im Vorwort macht Markus, 1944 als Sohn deutschjüdischer Einwanderer in Santiago de Chile
geboren, eines klar: Meine Beziehung zum Judentum ist weniger religiös und schon
gar nicht zionistisch. Leitfaden dieses Buchprojekts seien Integration und Leistung
gewesen statt der hinlänglich gepflegten Aspekte jüdische Sitten und
Juden als Opfer. Vielmehr wollte er an konkreten Beispielen aufzeigen, in
welchem Maße Juden substanziell an der Gestaltung unserer Zivilisation in der gesamten
Welt mitgewirkt haben.
Es erweist sich dabei als charmanter Widerspruch, wenn der grundsätzlich sehr sachlich
argumentierende Wissenschaftler sein Anliegen betont, als Jude nicht als Exot wahrgenommen
zu wollen. Dem steht nämlich eine schier unglaubliche aber wahre Feststellung gegenüber:
Bisher wurden 850 Nobelpreise verliehen, davon 195 an Juden, also rund 23 Prozent,
obwohl die Juden nur etwa zwei Promille der Weltbevölkerung ausmachen.
Die Auswahl hat der Autor im Übrigen hinsichtlich der Definition, ob jemand ein Jude ist,
streng nach der jüdischen Tradition der Matrilinearität vorgenommen. Danach zählt nur
als Jude, wer eine jüdische Mutter hat. Seine Beschränkung auf 222 herausragende Namen
war wegen der Vielzahl nötig, so dass zum Beispiel aus der Politik ein David Ben Gurion
ebenso fehlt wie Leo Trotzki oder bei den großen Schriftstellern ein
Literatur-Nobelpreisträger wie Boris Pasternak. Manche wichtige Wissenschaftler wiederum
habe er außen vor gelassen, weil ihr weltveränderndes Wirken einem normalen Publikum zu
schwierig zu erklären gewesen wäre.
Gleichwohl finden sich unter den Erwähnten Namen, die erst einleuchten mit der Erklärung
ihres besonderen Verdienstes bei der Veränderung der Welt wie bei Haym Salomon. Ohne
seinen massiven finanziellen Eingriff gäbe es die USA vermutlich gar nicht, denn die
Kolonialisten hätten den Unabhängigkeitskrieg (1776-1783) sehr wahrscheinlich mangels
Masse verloren.
Zu den großen Weltveränderern zählt unstreitig Karl Marx, doch auch Sigmund Freud
bahnte in anderer Hinsicht neue Wege und ob es ohne Sergey Brin, Larry Page und Susan
Wojcicki (Google) und Mark Zuckerberg (Facebook) das Internet in heutiger Form geben
würde, ist durchaus offen. Die Zahl der bahnbrechenden Wissenschaftler ist schier endlos
trotz der zahlenmäßigen Grenzen und reicht von Medizinern wie Paul Ehrlich
(Salvarsan/Chemotherapie) über Max Born (Quantenphysik) und Arthur Kronberg
(Gentechnologie) bis zum Universalgenie Albert Einstein und Robert Oppenheimer, dem Vater
der Atombombe.
Andere Erfindungen sind aus dem Alltag gar nicht wegzudenken und sind in jüdischen
Köpfen entstanden, sei es die Blue Jeans (Lvi Strauss und Jakob Davis) oder der
Kugelschreiber (Laszlo Biro). Eine Geschichte Hollywoods ohne legendäre jüdische Namen
wie Metro-Goldwyn-Mayer oder die Warner Brothers wäre einfach nicht denkbar und ebenso
spektakulär ist die Riege großer Filmemacher von Selznick und Wilder bis Spielberg.
Ebenso beschränken musste sich der Autor im künstlerischen Bereich, wo eben viel mehr
Berühmtheiten jüdischer Herkunft waren oder sind als die hier aufgeführten Modigliani,
Kafka oder Salinger. So hat Mario Markus die beiden weltberühmten und äußerst
einflussreichen singenden Poeten Bob Dylan und Leonard Cohen an den Schluss der 222
gesetzt.
Der Autor lässt ganz gewiss staunen über das Ausmaß der Erfindungen und Leistungen, die
vielfach gar nicht mit einem jüdischen Hintergrund des Kreativen in Zusammenhang gebracht
werden. Fazit: ein verdienstvolles und sehr erhellendes Buch von großem Gewinn. Und es
sei abschließend noch einmal das Vorwort zitiert: Wenn dieses Buch dazu beitrüge,
mögliche Vorbehalte uns Juden gegenüber abzubauen, so hätte es seinen Zweck nachhaltig
erfüllt.
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