IAIN LEVISON: „GEDANKENJÄGER“


Zuerst ist Polizist Jared Snowe verwirrt, als er merkt, dass er auf einmal die Gedanken anderer hören kann. Im Umgang mit Delinquenten aber auch anderen Zeitgenossen kann das jedoch sehr hilfreich sein.
Der Einstieg in Iain Levisons Roman „Gedankenjäger“ wechselt dann zu Brooks Denny, der in Oklahoma in einer Todeszelle sitzt. Der Polizistenmörder wurde sich der gleichen erstaunlichen Gabe erstmals kurz vor einem dann erneut verschobenen Exekutionstermin bewusst. Und nutzte sie für kleinere Vorteile wie beim Pokern.
Nun jedoch erscheint Terry Dyer im Knast und die ebenso attraktive wie kühle Dame verlangt ihn zu sprechen, weil er ein „Level One“ im Gedankenlesen ist. Sie stellt sich ihm als Agentin eines nicht näher benannten Geheimdienstes vor und beordert ihn nach New York zu einem sensiblen Auftrag für den Staat. Worauf Denny sich bereitwillig einlässt, denn die Dame hat offensichtlich große Möglichkeiten und offeriert ihm sogar ein Leben in Freiheit.
Snowe entwickelt sich derweil zum Superpolizisten, lernt aber auch die Nachteile der neuen Fähigkeiten kennen. Die durchaus einsam machen, denn wer will schon ständig die Gedanken um sich herum hören. Und eine Streifenwagenschicht mit einem Kollegen würde er schon gar nicht auf Stunden aushalten. Doch auch die ersten Versuche beim Flirten sind überraschend frustrierend.
Denny bekommt dagegen ganz andere Sorgen, nachdem er zur UN-Zentrale gebracht wurde. Sehr erfolgreich absolviert er das „Belauschen“ eines afrikanischen Diktators, dem die Amerikaner wichtige Ölförderrechte gegen etwas Unterstützung abluchsen wollen. Die maßlose Undankbarkeit seiner Auftraggeberin kann Denny jedoch nicht ahnen, denn Teresa Dyer ist aufgrund einer Gehirnoperation im Kindesalter nicht „lesbar“.
Dummerweise hat allerdings der ihn begleitende Gefängniswärter in seiner Aversion gegen die arrogante Agentin dreist in deren Aktentasche geschnüffelt. Über seine Gedanken erfährt Denny so, dass er noch in der Nacht eliminiert und in einem Moor entsorgt werden soll. Was den erfahrenen Ganoven zu einer actionreichen Flucht animiert, bei der er den Häschern entkommen kann.
Für Dyer und ihre Dienststelle eine Katastrophe, denn öffentlich nach dem flüchtigen Todeszelleninsassen fahnden lassen können auf keinen Fall. Wie aber fängt man einen Gedankenleser am ehesten – indem man ihm jemanden mit der gleichen Gabe auf die Fersen setzt. Dazu holt Dyer Snowe und macht den freudig Überraschten zum FBI-Agenten mit Sonderauftrag. Und ist verblüfft, dass er Denny bereits am nächsten Tag aufspürt.
Wie später herauskommt, sind Denny und Snowe nicht zufällig zu Gedankenlesern geworden sondern durch ein schmutziges Geheimdienstprojekt namens „Alaska“ mit etlichen uneingeweihten Probanden. Nun aber passiert, was unbedingt hätte verhindert werden müssen: niemals dürfen sich zwei Gedankenleser begegnen, denn sie werden umgehend vertraut miteinander wie Zwillinge.
Dyer und Konsorten aber müssen die Jagd eröffnen und tun dies mit raffiniertesten technischen Methoden. Und damit stößt das Geschehen in ganz andere Dimensionen vor und wird endgültig zum absolut filmreifen Thriller. Das ist clever konstruiert und packend bis zum Schluss. Zur besonderen Qualität dieses „hard-boiled“ Krimis trägt im Übrigen manch nachdenklicher Gedanke über Sinn und Folgen der besonderen mentalen Fähigkeit bei.

# Iain Levison: Gedankenleser (aus dem Englischen von Walter Goidinger); 301 Seiten); Deuticke Verlag, Wien; € 19

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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