PAUL M. COBB: DER KAMPF UMS
PARADIES
Die fanatischen und äußerst brutalen Eroberer waren schmutzig, primitiv und kamen mit
ihrer eher untauglichen Religion aus ungemütlichen und unterentwickelten Randgebieten der
Welt. Gemeint sind damit die schristlichen Franken, die ab dem Jahr 1095 in
sieben Kreuzzügen das sogenannte Heilige Land von den Arabern zurückerobern wollten.
So gesehen aus Sicht der Attackierten mit ihrer hoch entwickelten Kultur, Wissenschaft und
großen glanzvollen Städten. Nach all den historischen Abhandlungen über die Zeit der
Kreuzzüge war es an Paul M. Cobb, Professor für Islamische Geschichte an der University
of Pennsylvania, endlich einen anderen Blickwinkel zu eröffnen: die mittelalterliche
Kreuzzugsbewegung aus der Perspektive der arabischen Welt und vor allem auch unter
Einbeziehung von deren Quellenmaterial.
Entstanden ist so Der Kampf ums Paradies. Eine islamische Geschichte der
Kreuzzüge. Einbezogen sind die lateinischen und griechischen Quellen aber eben auch
die muslimischen Überlieferungen, was zu einer ebenso reizvollen wie objektivierenden
Abkehr von der üblichen eurozentrischen Sichtwiese führt. Ein entscheidender Ansatz ist
dabei auch die Verlegung des tatsächlichen Beginns der Kreuzzüge die ohnehin nur
bedingt einen hehren christlich-religiösen Hintergrund hatten.
Aus Sicht der muslimischen Welt beginnt die Aggression der christlichen Europäer nämlich
bereits mit dem Einsetzen der Reconquista von al-Andalus, dem maurischen Spanien. Dem
folgte noch vor der Aussendung des ersten Kreuzfahrtheeres durch den Aufruf von Papst
Urban II. von 1095 die erfolgreiche dauerhafte Vertreibung der Muslime von Sizilien ab
1061. In Vorderasien, Palästina und Ägypten aber kam es schließlich zu den
jahrhundertelangen blutigen Kriegen.
Obwohl die Kreuzzugsheere nicht wirklich gewaltig in ihren Ausmaßen waren, erreichten sie
erstaunliche Erfolge bis hin zur lange währenden Eroberung Jerusalems. Der Historiker
belegt zwei entscheidnede Aspekte dafür, wovon der eine wenig schmeichelhaft ist. So
gingen die Kreuzzügler im Namen des christlichen Glaubens immer wieder mit barbarischer
Gewalt vor und grauenhafte Massaker an den Einheimischen gab es zuhauf. Um so
verblüffender wirken da ebenfalls vorgekommene, widersprüchlich anmutende
Zweckbündnisse auf Zeit ausgerechnet zwischen Kreuzzüglern und muslimischen Führern.
Das aber war die elementare Schwäche der Muslime, denn selbst der gerühmte und
siegreiche Saladin hatte nicht nur zahlreiche Feldzüge gegen muslimische Herrscher hinter
sich. Sogar gegen den wahren Feind, die ungläubigen Franken, unterstützten ihn weder die
Almohaden aus dem Maghreb im Westen noch der Kalif von Bagdad im Osten. Die Uneinigkeit
der muslimischen Fürsten und die bis heute wirkende Spaltung in Sunniten
und Schiiten machte den immerhin rund 200 Jahre währenden Siegezug in diesem
Aufeinanderprallen der Kulturen erst möglich.
Zugleich belegt der Experte aber auch, in welchem Ausmaß das scheinbare Ringen zur
Durchsetzung des wahren Glaubens in Wirklichkeit von sehr säkularen Interessen
durchdrungen war. Um Ruhm, Macht, Geld und Sklaven ging es den islamischen Herrschern und
der Dschihad wurde vielfach nur zur Motivation und Rechtfertigung
vorgeschoben. Es ist ein endloses blutrünstiges Ringen aber auch Feilschen mit
verwirrenden Koalitionswechseln und diplomatischen Ränkespielen, das Cobb hier darstellt.
Der Historiker verschiebt das Ende der Kreuzzüge bzw. der heißen Phase der kriegerischen
Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen im Übrigen ins 15. Jahrhundert.
Einerseits eroberten die Muslime 1453 Konstantinopel als letzte Bastion des christlichen
Byzanz und gründeten das Osmanische Reich, andererseits wurde Spanien 1492 mit der
Vollendung der Reconquista endgültig vom Islam gesäubert.
Offensichtlich wird mit dieser exzellenten Darstellung des historischen Ringens auch der
Gegensatz zwischen Abendland und islamischer Welt, der bis heute virulent ist und warum er
es ist. Fazit: ein Meisterwerk der Geschichtsschreibung und wegen seiner ungebrochenen
Aktualität zugleich ein äußerst wichtiges Buch.
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