LISA
ZEIDNER: DIE FALSCHE BRAUT
Die Braut trug nicht Weiß. Aber die Terroristin. Mit dieser wunderbar
trockenen Feststellung beginnt Lisa Zeidners jüngster Roman Die falsche
Braut. Und eines sei vorweg verraten: er offenbart eine dieser US-Spezialitäten,
bei denen eine hochspannende Handlung außerdem auch mit allerhand Situationskomik
einhergeht.
Die eigentliche Braut ist Tess, die ihren Gabriel heiraten will, und zwar aus Gründen der
Bescheidenheit in kleinem Kreis in Mutters Garten. Wegen des Wetters müssen die fast 60
Gäste allerdings im Haus feiern und Gastgeberin Helen Burns ist schon ziemlich aufgeregt,
bevor die Terristin plötzlich hereinmarschiert. Für die Brautmutter gäbe es nämlich
auch ohne diesen ungebetenen Gast genug Nervenaufreibendes.
Schließlich sind sind die schwarzafrikanischen Familienangehörigen und Freunde des
Bräutigams hier im penibel gepflegten Haddonfield, New Jersey, schon recht auffällig.
Mindestens so viel Ärgerpotential versprechen aber auch Ex-Mann Jake, seine zweite
Ex-Frau mit neuem Partner und Gattin Nummer 3 sowie querbeet mehrere Kinder. Und als ob
das noch nicht reichte, sind neben Helen und Jake gleich noch mehrere Berufskollegen dabei
allesamt Psychiater.
Aufruhr kommt in der Feierrunde jedoch erst auf, als die Terroristin mit der Gasmaske, der
verspiegelten Sonnenbrille und den klobigen Stiefeln eben keine Unterhaltungseinlage
offeriert sondern vielmehr eine abgesägte Schrotflinte und ein offenbar vorher
eingeschmuggeltes Gewehr. Und als sie nun unmissverständlich drohend sämtliche Handys
einsammelt und die Türen verrammelt. Bevor sie selbst den Raum verlässt und außen mit
einer Kette samt Sprengpaket absichert, verlangt sie eine Entschuldigung.
Und hinterlässt völlige Verwirrung, weil niemand versteht, wer und was damit gemeint
ist. Nun setzt ein wirres Debattieren insbesondere der vielen Psychiater über die
Geiselnehmerin und ihre Motive und mutmaßlichen Macken ein. Dieser Streit um die
richtigen Einstufungen und über Strategien zur Konfliktbewältigung funkelt vor Witz und
genüsslichen Spitzen gegen all die Seelenklempner. Aber auch die verqueren persönlichen
Beziehungen bis hin zu Seitensprungpraktiken werden mit viel Ironie seziert.
Zwischendrin eskaliert die Situation und während einerseits tatsächlich ein paar
Schüsse abgefeuert werden, gelingt es einem der Gäste aus Afrika, durch ein Oberlicht zu
flüchten. Derangiert, blutend und ohne Papiere wird es für ihn zum Abenteuer, zur
Kleinstadtpolizei hin und dort auch noch so viel Gehör zu finden, dass eine
Eingreifeinheit herbeigerufen wird. Das entfaltet dann fast so viel Irrwitz, als wäre es
ein Police Academy-Film.
Mehr sei von diesem ebenso verwegenen wie fesselnden Geiselnehmerroman nicht verraten.
Auch ohne nennenswertes Blutvergießen oder atemlose Action sorgt er dank seiner
Intelligenz und vieler herzerfrischender Wendungen für ein feines Lesevergnügen für all
jene Genießer, für die ein guter Krimi nicht zwingend auch bierernst sein muss.
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