RONALD SKIRTH: „SOLDAT WIDER WILLEN“


Eine der ungewöhnlichsten Erinnerungsschriften an das Grauen des Ersten Weltkriegs kam erst Jahrzehnte nach dem Tod seines Verfassers als Buch an die Öffentlichkeit. Ronald Skirth (1897-1977) schrieb die Geschichte seines Kriegserlebens erst als Pensionär nieder und eigentlich eher für die Familie gedacht. Erst als seine Tochter Jean die fünf Ringbücher lange nach seinem Tod ans Imperial War Museum übergab und eine Publizierung gestattete, wurde daraus der Tatsachenbericht „Soldat wider Willen. Wie ich den Ersten Weltkrieg sabotierte“.
Skirth war 19, als er sich 1916 zu den Waffen meldete, um für König und Vaterland für das zu kämpfen, was auch er für richtig und gerecht hielt. Er kam zur Artillerie und dann waren es die Schlachtfelder in Flandern, die ihn nicht nur mit ihrem täglichen Höllenschrecken zum Pazifisten werden ließen. Das allgegenwärtige Grauen, wenn Kameraden neben ihm zerrissen wurden oder im Gas starben, wurde erst durch die Vorgesetzten zur endgültigen Marter.
Die Dummheit und Arroganz vieler Offiziere verursachte immer wieder sinnlos Not und Elend unter den einfachen Soldaten und als Leser verspürt man schließlich eine hundsgemeine Freude über das hilflose Schäumen aufgeblasener Oberer über Skirths Subordinationen unter Granatbeschuss. Der junge Unteroffizier wird degradiert, hat jedoch ein noch viel prägenderes Erlebnis, als er Deckung in einem Granattrichter sucht und auf den toten Hans stößt. Der etwa gleichaltrige Deutsche hat ein Foto seiner Freundin in der Hand, die Skirths innig geliebter Ella wie ein Zwilling gleicht.
Und der Engländer beschließt für sich ganz persönlich etwas Unerhörtes: niemals wieder wird er wissentlich einem anderen Menschen das Leben nehmen, wenn er es nur irgendwie verhindern kann. Nach einem Lazarettaufenthalt nach Granatbeschuss geht sein Widerstand sogar bis zur Sabotage, wenn er die Geschützausrichtung manipuliert, damit seine Granaten möglichst keine Menschen treffen. Auch eine offene Befehlsverweigerung leistet er sich, als er die Mitwirkung an der Zerstörung einer Kirche verwergert. Konsequenterweise lehnt er gegen Kriegsende auch eine Auszeichnung ab, denn es gebe nichts, wofür er sie die verdient hätte.
Skirth kommt heim und heiratet Ella, die in den 20 Monaten an vorderster Front der wichtigste Grund für sein Durchhalten war. Was er dann im Ruhestand niedergeschrieben hat, mag literarisch ungeschliffen sein, doch es ist durch und durch authentisch und atmet nicht nur ein erschreckend realistisches Zeit- und Lokalkolorit, es eröffnet eine Hölle des Krieges, wie sie Erich Maria Remarque („Im Westen nichts Neues“) und Norman Mailer („Die Nackten und die Toten“) anschaulicher nicht erfinden konnten.
Fazit: 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs ein schonungsloser Augenzeugenbericht, der schaudern lässt und dabei bis zuletzt mit einfachen, gradlinigen und zugleich bewegenden Sätzen fesselt.

# Ronald Skirth: Soldat wider Willen. Wie ich den Ersten Weltkrieg sabotierte (aus dem Englischen von Christoph und Karola Bausum); 447 Seiten, Klappenbroschur; Rowohlt Polaris, Reinbek; € 16,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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