ULRICH RITZEL: „TROTZKIS NARR“


Zum mittlerweile siebten Mal lässt Erfolgsautor Ulrich Ritzel seinen Ermittler Hans Bernstorff tätig werden. Eigentlich geht der Ex-Kommissar aus Ulm in seiner Wahlheimat Berlin als Privatdetektiv nur einem eher bescheidenen Fall nach. Die Journalistin Karen Andermatt fühlt sich heimlich beobachtet und hat ihren Ehemann im Verdacht, der Manager bei einem großen Baukonzern ist.
Wie Bernstorff darüber ganz schnell mit einer brisanten politischen Affäre zu tun bekommt, ist unter dem Titel „Trotzkis Narr“ einmal mehr ein Geniestreich des vielfach ausgezeichneten Autors. Da gibt es eine Kungelrunde aus Kommunalpolitikern, Senatsmitgliedern und Investoren, die sich allwöchentlich in der Sauna eines Berliner Hallenbades trifft und diskret dafür sorgt, dass lukrative Bauvorhaben jeweils in die richtigen Hände gelangen. Als die Herren nun nach einer solchen Runde des Sauna-Schwitz- und Schmiersystems in ihre Fahrzeuge steigen wollen, zieht ein Unbekannter eine Waffe und schießt Giselher Marcks, einem hohen Beamten im Baudezernat, zweimal ins Gesicht.
Was nur der Leser weiß: der Täter ist der Neonazi Lutz Harlass, der hier im Auftrag handelte. Allerdings lautete der nicht Mord, vielmehr sollte es ein Knieschuss nach Mafia-Art zur Warnung werden. Prompt erschießt der Übereifrige mit derselben Pistole auch noch seinen Auftraggeber. Und setzt mit seinen Taten ungeahnte Aktionen in Gang, zumal gerade Wahlkampf herrscht und die zuständige Ermittlungsleiterin Dagmar Wohlform-Kühn als „Staatsanwältin Gnadenlos“ das Amt der Regierenden Bürgermeisterin anstrebt.
Hier nun kommt Bernstorff in direkte Verbindung mit den Vorgängen, denn seine Mandantin Andermatt arbeitet pressemäßig für die ehrgeizige Wahlkämpferin. In Erscheinung tritt jetzt aber auch Brutus Firmin, der titelgebende Trotzkist, in dessen Haus in der brandenburgischen Provinz ausgerechnet Doppelmörder Harlass Unterschlupf findet. Da sprühen natürlich nicht nur ideologisch die Funken, wobei dem Neonazi ein Prinzip des Alt-Linkssektierers zugute kommt – der würde niemals die Polizei zu Hilfe rufen.
So ziehen sich als roter Faden durch das zeitweise nur schwer zu durchschauende Handlungsgeflecht Korruption in großem Stil aber auch Polizisten mit einer sehr speziellen Dienstauffassung, alte Stasi-Kader und nicht zuletzt einer, der es nicht mehr hinzunehmen bereit ist, dass die kleinen mittelständischen Bau- und Handwerksbetriebe schon lange keine Chance mehr haben.
Das Alles ist auf hinreißende Weise ganz nah an der Realität und zugleich fasziniert, wie es Ritzel elegant gelingt, all die komplexen Handlungsstränge am Ende überzeugend zusammenzuführen. Manches erscheint geradezu als Realsatire, das aber knochentrocken und spannend geschrieben und mit einer Fülle hervorragend gezeichneter Haupt- und Nebenfiguren garniert. Fazit: Ulrich Ritzel gilt als einer der besten deutschsprachigen Politkrimiautoren – hier stellt er es einmal mehr beeindruckend unter Beweis.

# Ulrich Ritzel: Trotzkis Narr; 461 Seiten; btb Verlag, München; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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