CLEMENS BERGER: "EIN VERSPRECHEN VON GEGENWART"

Einen funkelnden kleinen Roman legt der österreichische Erfolgsautor Clemens Berger jetzt mit "Ein Versprechen von Gegenwart" vor. Recht ungewöhnlich im Stil, fesselt hier ein Ich-Erzähler alsbald auf sublime Weise mit seinen ausgesprochen subjektiven Beobachtungen einer Beziehung.

Als erfahrener Kellner der gehobenen Klasse vermeint er, seine Gäste allesamt mit wenigen Blicken einordnen zu können. Bis die Beiden kommen, die er für sich als "die Wildkatze" und "der Löwe" einordnet. Als sie nun immer wieder spätabends kommen, sie von hinreißender Attraktivität und er ebenso selbstsicher wie gut aussehend, sieht der Ich-Erzähler an wenigen untrüglichen Aspekten sofort, dass die Beiden jeweils von offenbar leidenschaftlichen Stunden in einem nahen Liebesnest hierher kommen.

Ungeheuer gegenwärtig erscheinen sie ihm in ihrer Lässigkeit und mit der Deutung mitgehörter Gesprächsfetzen beginnt er diese Beziehung für sich zu dechiffrieren. Als Mitwisser wandeln sich allmählich die Bilder - und seine eigenen, immer intensiveren Vorstellungen, in die er sich hineinsteigert. Wild scheint es herzugehen zwischen den Beiden, doch die aufreizende Schöne mit dem russischen Akzent und der teuren Garderobe ist offenbar keine Edelprostituierte und ihr Galan kein reicher, anderweitig verheirateter Geschäftsmann.

Und der Ich-Erzähler wird in gewissem Sinne zum Mitbeteiligten, ja, in gewisser Weise gar zur Hauptfigur. Bid Grenzen überschritten werden und der Beobachter erkennen muss, dass das Leben keine Generalprobe ist. Mehr sei vom Fortschreiten dieser Dreierbeziehung der besonderen Art nicht verraten.

Berger hat dafür eine elegante Sprache gefunden, die in den virtuos gelungenen erotischen Passagen geradezu vibriert. Fazit: ein kleiner, überaus sinnlicher Leckerbissen für Genießer einer hintergründigen voyeuristischen Geschichte.

# Clemens Berger: Ein Versprechen von Gegenwart; 157 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, MÜnchen; € 12,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)