TOM WOLFE: "BACK TO BLOOD"

Mit "Fegefeuer der Eitelkeiten" schrieb Tom Wolfe 1987 den großen New York-Roman, der zu Recht ein Weltbestseller wurde. Nach mehrjährigen intensiven Recherchen verfasste der vielfach preisgekrönte Autor nun mit "Back to Blood" einen fulminanten Miami-Roman. Doch wo New York ein wahrer Schmelztiegel der Einwanderer wurde, liegt der Fall der Florida-Metropole sehr anders.

In dieser verrückten Stadt sind über die Hälfte der Einwohner Eingewanderte und hier insbesondere Kubaner, denn die genießen einen Meistbegünstigtenstatus als Einwanderer in den USA. Und hier wird beschrieben, dass der Bürgermeister ein Kuba-Stämmiger ist und seine Abteilungsleiter ebenso. Das gilt außerdem für die Polizei, die zu 60 Prozent diese Wurzeln aufweist, plus 18 Prozent Schwarzen gegenüber gerade mal 12 Prozent Angloamerikanern.

Schon im Prolog dieser bissigen Gesellschaftssatire kommt es zum ersten kleinen "Rassenzwischenfall", als der durch und durch weiße Chef des "Miami Herald" mit seiner Frau in ein angesagtes Restaurant gehen will und ihnen eine junge Frau dreist den einzigen Parkplatz wegschnappt - eine Latina mit einem Ferrari und die einsetzende Beschimpfung verläuft zweisprachig. Doch der Protagonist, an dem sich nun die allgegenwärtigen Ressentiments entzünden, ist der wohlmeinende Polizist Nestor Camacho, natürlich kubanischer Herkunft.

Er rettet einen Kuba-Flüchtling, der sich auf den Mast einer Luxusjacht geflüchtet hat und dann ins Wasser stürzt. Wird Nestor gerade noch als Held gefeiert, gilt das Alles am nächsten Tag nicht mehr, denn - der Gerettete wird abgeschoben und für seine Spanisch sprechenden Mitbürger ist Nestor damit zum Verräter geworden. Mit Folgen, weil er nicht nur nur in seinem Viertel und sogar in der Familie in Ungnade fällt, auch seine schöne Freundin Magdalena verlässt ihn, zumal sie sich mit ihrem Chef, dem obergeilen weißen Psychiater Lewis einen besseren sozialen Aufstieg erhofft.

Doch in dem kiloschweren Wälzer agieren weitaus mehr scharf konturierte Charaktere und die teils schrillen Geschehnisse werden aus verschiedenen Perspektiven und Milieus geschildert. Da taucht man ein in den überwiegend von Kubanern bevölkerten Stadtteil Hialeah mit seinen teils "unamerikanischen" Verhaltensmustern. Dann wieder erlebt man wilde Nächte voller Ausschweifungen von Sex und Drogen oder aber die alljährliche spektakuläre Kunstmesse im Dezember.

Hier nun kommt der Anfänger-Journalist John Smith vom "Miami Herald" ins Spiel, der dem russischen Oligarchen Korlojow nachspürt. Der hat dem neuen Kunstmuseum der Stadt Gemälde große Meister gespendet, Wert gut 70 Millionen Dollar. Wenn sie denn echt sind. Auch Nestor ist hier wieder beteiligt, wie er ohnehin immer wieder auftaucht und meist bei allem Guten, das er beabsichtigt, schwer daneben greift.

Der mittlerweile 81-jährige Spötter Tom Wolfe zieht jedoch nicht nur immer neue Spannungsregister in dem rasanten Bilderbogen. Mit viel schwarzem Humor spießt er auch die ewigen Gockel auf: "Er spürte die Schwellung, für die Männer leben." Und während der Blick auf Sexuelles und vor allem schön geformtes Fleisch williger Frauen einen expliziten Stellenwert einnimmt, gibt es auch Szenen von hinreißender Komik, wenn zum Beispiel ein penetranter Psychiater dafür sorgt, dass er seinen an Pornosucht leidenden Patienten noch möglichst lange abkassieren kann.

Wer da nun meint, in dieser flirrenden Glitzerstadt hätte das schöne Multi-Kulti eine Chance, wird drastisch eines Besseren belehrt, denn hier zählt massiv die Abstammung - wie der Titel bereits sagt. Und Wolfe lässt den fiktiven Bürgermeister eine düstere Erkenntnis über das Miteinander in der Glitzerstadt postulieren, um Miami wirklich zu verstehen, müsse man wissen: "Hier hasst jeder jeden."

Dieser wilde Roman ist wortreich, voller spannender Details und Impressionen, aber eben auch höchst theatralisch in Stil und Inhalt. Tom Wolfe war schon immer ein Meister des geschliffenen Wortes, allerdings geht er dabei passagenweise so deftig zu Werke, dass zartbesaiteten Feingeistern unbedingt von der Lektüre abgeraten werden muss. Fazit: ein großes Werk eines ebenso scharfzüngigen wie respektlosen Unterhaltungskünstlers.

 

# Tom Wolfe: Back to Blood (aus dem Amerikanischen von Wolfgang Müller), 768 Seiten; Karl Blessing Verlag, München; € 24,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

 

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