HEIMO SCHWILK: "HERMANN HESSE"

Hermann Hesse (1877-1962) ist der wohl weltweit meistgelesene deutschsprachige Autor mit unvergessenen Romane wie dem "Demian", "Sidharta" oder "Narziss und Goldmund". Gleichwohl sind umfassende Biographien zu dem Literaturnobelpreisträger von 1946 rar. Um so verdienstvoller ist die von Heimo Schwilk, rechtzeitig erschienen zum 50. Todestag Hesses in diesem Jahr.

"Hermann Hesse. Das Leben des Glasperlenspielers" lautet der Titel und der versierte Biograph hat dabei den jüngsten Stand der Forschung einfließen lassen einschließlich des umfangreichen Briefwechsels. So finden sich hier auch weniger bekannte Fakten und ermöglichen die ein oder andere neue Sichtweise, wobei es Schwilk ohnehin nicht auf sensationelle Neuigkeiten oder Umdeutungen ankam.

Eine wichtige Änderung der Einschätzung der bekanntlich schwierigen und unerfreulichen Jugend Hesses ergibt sich allerdings in der Bewertung von Hesses Leiden an seinen Eltern. Mag der Vater ihn auch mit mangelndem Verständnis und versagter Anerkennung des künstlerischen Schaffens gequält haben, so prägte die auch gegen den Sohn praktizierte kalte Frömmelei der streng religiösen Mutter offenbar maßgeblich und mit kaum zu überschätzender Bedeutung für sein Schaffen dessen lebenslang widersprüchliches Verhältnis zu den Frauen.

Der Ausbruch aus der Enge des pietistischen Elternahuses, das frühe Schreiben des rebellischen Geistes und die massiven Stimmungsschwankungen bis hin zu etlichen Suizidansätzen arbeitet Schwilk hervorragend auf und es wird deutlich, wie sich dieser Exzentriker mit den steten Beziehungsproblemen immer wieder selbst neu erfand. Die hohe Qualität dieser Biographie beruht dabei auf der meisterhaft gelungenen gegenseitigen Durchdringung der jeweiligen Lebensabschnitte mit den Werken, die in dieser Zeit entstanden.

Hesse als Hypochonder mit der Leidensfähigkeit des Dichters, der sich doch zugleich nach Liebe und Bindung sehnt, braucht gewissermaßen die Krisen, um überhaupt schreiben zu können. Das wird in faszinierender Weise verdeutlicht durch die immer wieder in der Situation entstandenen und hier als Beweise des jeweiligen Stimmungsbildes eingefügten Gedichte Hesses. Was wohl am hinreißendsten wirkt in der Phase, als der geniale Künstler am Ende seiner kurzen, völlig verqueren zweiten Ehe am "Steppenwolf" arbeitet und sich als alternder Künstler in Ausschweifungen stürzt.

Schwilks Biographie beruht auf einer angenehmen Mischung aus respektvollem Wohlwollen und kritischer Sachlichkeit, ist dabei aber bei allem Detailreichtum im besten Sinne so romanhaft lebendig geschrieben, dass man sofort den Wunsch verspürt, die hier aufgeführten Werke erneut zu lesen. Der außergewöhnliche Schriftsteller als Neurotiker, als Sinnsuchender, der sich nach Zuwendung ebenso sehnt wie nach der Abgeschiedenheit - hier wird er in meisterhafter Weise porträtiert und auch die elegante Sprache, in der das Alles verfasst ist, wird Hermann Hesses Bedeutung gerecht.

 

# Heimo Schwilk: Hermann Hesse. Das Leben des Glasperlenspielers; 432 Seiten, div. Abb.; Piper Verlag, München; € 22,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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