JULIAN FELLOWES: "EINE KLASSE FÜR SICH"

Julian Fellowes war als Schauspieler zweitklassig, als Drehbuchautor aber gewann er einen Oscar ("Gosford Park") und als Schriftsteller ist der aus gehobenen Kreisen stammende Engländer sogar eine Klasse für sich. Und genau so, "Eine Klasse für sich", lautet auch der Titel seines jüngsten Romans, der vor Stil und Eleganz funkelt und dabei von der ersten Zeile an fesselt.

Der Ich-Erzähler, offenbar ein leidlich erfolgreicher Schriftsteller aristokratischer Herkunft, erhält darin eine ungewöhnliche Einladung. Sie kommt von Damian Baxter, einem ehemaligen Freund aus Cambridge-Zeiten, mit dem er sich Ende der 60er Jahre überwarf. Nun liegt dieser im Sterben und hat ein dringendes Anliegen: vor 20 Jahren erhielt er den anonymen Brief einer Frau, nach dem er offenbar ein uneheliches Kind gezeugt hat.

Unverheiratet, einsam und schwer reich, will er diesem Kind sein Erbe zukommen lassen. Der frühere Freund soll die Kindesmutter ausfindig machen, ganz diskret. Fünf Frauen stehen auf seiner Liste und auch der Erzähler kennt sie von damals aus jenen Zeiten, als die Upper Class noch unbeeindruckt von der Jugendrevolution mit Beatles und Minirock ihre alten Gepflogenheiten hochhielt, bei denen Status stets vor Wohlstand kam.

Dazu gehörten die Bälle und Teegesellschaften, die strikte Kleiderordnung und die Debütantinnenbälle - wo man just die entsprechenden blaublütigen Heiratsanwärterinnen traf. Nur durch den Erzähler erhielt Bürgersohn Damian überhaupt Zugang zu diesen Kreisen, hatte mit seinem guten Aussehen und dem skrupellos eingesetztem Esprit dann jedoch immensen Erfolg bei den jungen Damen. Nach einem Eklat waren allerdings plötzlich beide Freunde außen vor und ihre Freundschaft zerbrach. Die näheren Umstände werden aber klugerweise erst gegen Ende deutlich gemacht, wenn sie dem Leser auch verständlich sind.

Als der Erzähler nun die Runde macht und nach und nach die fünf Frauen wiedertrifft, ist das eine Zeitreise auch in die eigene Vergangenheit. Er kannte sie gut und nicht nur bei der damaligen Lady Serena Gresham empfindet er mehr als Wehmut und zugleich Eifersucht auf den erfolgreicheren Damian. Und er erlebt etliche Überraschungen, die manche Erinnerungen von vor 40 Jahren in ganz neuem Licht erscheinen lassen, bis hin zu einer späten wenngleich einmaligen Traumerfüllung nach all den Jahrzehnten.

Damian Baxter steht ständig im Mittelpunkt, obwohl er nur wenige persönliche Szenen hat. Doch wie bei einem grandios ausgeklügelten Puzzle entsteht allmählich sein Bild wie auch das der übrigen Hauptpersonen. Gleichermaßen beleuchten die Lebenswege der fünf einstigen Debütantinnen auf hinreißende Weise exemplarisch den Weg des Wandels und des Niedergangs der englischen Aristokratie mit ihren überkommenen Eigenheiten.

Doch dieser Roman schildert nicht nur eine spannende Geschichte, diese Prosa vom Feinsten reflektiert auch weise über das Älterwerden und über die vermissten Werte jener verklärten Zeit des eigenen Jungseins. Dabei scheint stets das dezente ironische Schmunzeln durch, wenn Fellowes mit dem ebenso messerscharfem wie feinsinnigem Spott dessen, der all das Gehabe und Getue - nicht zuletzt aus persönlichem Erleben - durchschaut.

Das ist Sozialsatire für anspruchsvolle Leser und bei allem Tiefgang und aller Herzenswärme erstaunlich leichtfüßig. Vervollkommnet wird der große literarische Genuss durch die exzellent gelungene Übertragung ins Deutsche. Fazit: gemäß dem Titel "Eine Klasse für sich" ist dieser Roman genau das.

 

# Julian Fellowes: Eine Klasse für sich (aus dem Englischen von Maria Andreas); 479 Seiten; C. Bertelsmann Verlag, München; € 22,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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