MICHAEL GANTENBERG: "URLAUB MIT ESEL"

Björn Keppler, Studienrat Englisch und Geschichte, ist ein entscheidungsunfreudiger Mensch. Dass der Enddreißiger auch seiner Karin seit geraumer Zeit mit seiner verängstigten Betulichkeit und nervtötenden Besserwisserei immer mehr auf den Geist geht, ist ihm in seiner selbstbezogenen Bequemlichkeit irgendwie entgangen.

Um so größer seine Fassungslosigkeit, als die kecke Gattin schlichtweg und ohne ihm auch nur eine Andeutung zu machen, den alljährlichen Toskana-Urlaub storniert. Was aber allem die Krone aufsetzt, ist die Alternative, die sie ihm nun zu Beginn der Sommerferien kredenzt: einen "Urlaub mit Esel". So heißt denn auch Michael Gantenbergs neuester Beziehungsroman, in dem ein absolut unsportlicher und von allgemeinen kleinen und großen Ängsten geplagter Pauker aus Köln die Uckermark durchwandern soll.

Aber eben nicht mit Gattin oder solo sondern mit einem echten Esel auf vorgeplanter Tour. Und dieser "Friedhelm" entpuppt sich als ausgeprochen eigenwilliges Grautier von höchst gediegener Provenienz. Doch es gibt noch Steigerungen für das Elend des Wanderunwilligen, denn das Wetter in der einsamen Provinz mit ihren heruntergekommenen und kaum noch bewohnten Dörfern lässt oft zu Wünschen übrig.

Zu den Problemen der Notgemeinschaft von Björn und Friedhelm gesellt sich zeitweise auch noch die Eselswanderin Sabine, an der nur die ununterbrochen sabbnelnde Stimme sirenenhaft ist. Sie jedoch loszuwerden erweist sich als fast so schwierig wie später von Markus, ebenfalls Eselswanderer und - obendrein ein überaus bestimmender Ex-Knacki mit angsteinflößenden Verhaltensmustern. Als ob Friedhelms Unarten von saumäßigem Furzen bis hin zu rabiaten Abwehrreaktionen nicht schon schlimm genug wären.

Was Björn jedoch noch schlimmer quält, ist Karins Haltung bezüglich seiner Mail- und Handyversuche. Selten antwortet sie, egal, wie sehr er unter echten Blessuren leidet, und was da an Antworten kommt, wirkt ähnlich erbaulich wie ihre Feststellung, er sei so spontan wie eine Landtagswahl. Das nährt alle möglichen Zweifel und Ängste zusätzlich und man kann nur händeringend mit dem armen Björn mitfühlen.

Oder sich herzhaft amüsieren über diesen Allround-Hypochonder und seine unfreiwilligen Abenteuer. Dazu hat Grimme-Preisträger Gantenberg seinen Pseudohelden herrlich kauzig - aber nicht zu unrealistisch ("Ich bin Lehrer, da gehört ein bisschen Wahnsinn dazu.") - gezeichnet. Und bei all den Skurilitäten ist ein feiner Unterton des Zwischenmenschlichen eingewoben, schließlich soll Björn ja auch über seine Ehe, das Leben an sich und auch über sich selbst nachdenken. Fazit: eine wunderbare Urlaubslektüre, leichtfüßig aber nicht ohne Tiefgang.

 

# Michael Gantenberg: Urlaub mit Esel; 333 Seiten; Scherz Verlag, Frankfurt; € 14,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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