PAULA McLAIN: "MADAME HEMINGWAY"

Für Ernest Hemingway (1899-1961) waren die Jahre im Paris der 20er Jahre die glücklichsten seines Lebens und davon erzählt er in dem nachgelassenen Erinnerungsband "Paris - Ein Fest fürs Leben". All die Begegnungen mit Künstlern wie Ezra Pund, Fitzgerald, Picasso und die so überaus wichtige Gertrude Stein in dieser quirligen Ära nach dem Ersten Weltkrieg - und stets dabei Ehefrau Hadley Richardson.

Paula McLain fasst diese wichtigen Jahre in einem überaus persönlichen Roman zusammen und der Geniestreich von "Madame Hemingway" ist, dass sie weit überwiegend Hadley selbst erzählen lässt. Als sie sich 1920 in Chicago kennenlernen, ist die 28-Jährige eine verschüchterte 'alte Jungfer'. Ihr Vater beging Selbstmord und sie hatte jahrelang die kranke Mutter gepflegt.

Hemingway, acht Jahre jünger als sie, gewinnt mit seinem Charme und seiner Vitalität schnell ihr Herz. Der aufstrebende Journalist und die einsame Pianistin - auf bescheidener Ebene - heiraten im Herbst 1921 und noch im selben Jahr übersiedeln sie nach Paris. Arm aber glücklich richten sie sich ein und Hemingway stürzt sich in die Arbeit, um ein großer Schriftsteller zu werden. Zugleich herrscht ein fiebriges Bohème-Leben in der Metropole, in das er eintaucht und das ihn in seiner Besessenheit des Schreibens sehr prägt.

Der Libertinage dieser Epoche steht die im besten Sinne altmodische Hadley - er nennt es "viktorianisch" - zunehmend hilflos gegenüber. Sie gibt dem emotional Unsteten, dem mal aufbrausenden, mal depressiven "Tatie" Halt, zärtliches Verständnis und Aufmunterung. Spätestens nach der Geburt von Sohn Jack 1923 und Hemingways häufigen Reisen werden Eifersucht und Verunsicherung für Hadley immer schwerer erträglich. Und ihre Zweifel sind begründet.

Dennoch bleibt sie die gute Ehefrau, wobei ausgerechnet ihr in dieser absoluten Loyalität ein fatales Missgeschick unterläuft, das vermutlich sogar den entscheidenden Riss in ihre immer schwieriger werdende Beziehung bringt: durch ihre Unachtsamkeit geht eine Tasche mit seinen sämtlichen Manuskripten verloren. Während Hemingway zunehmend Erfolg hat, wird er immer launischer und aus vermuteten Affären entsteht schließlich die Hinwendung zu Pauline Pfeiffer, die später die zweite von insgesamt vier Ehefrauen werden sollte.

Dieses Ringen der Ich-Erzählerin mit dem Auseinanderdriften ihrer Liebe ist ebenso bewegend wie glaubhaft nachgezeichnet und für die besondere Faszination sorgt dabei das Wissen, dass alles auf Tatsachen beruht - sämtliche Akteure sind absolut authentisch und könnten so oder sehr ähnlich gedacht, gefühlt und geredet haben. Eine besondere Würze bringen zusätzlich einzelne Passagen aus Hemingsways Sichtweise des Geschehens.

Natürlich weichen Hadleys Erinnerungen so stark ab von seinen hinterlassenen, wie sie auch in ihrem Wesen verschieden waren, hier die liebende treue Frau, dort der lebenslang von seiner manisch-depressiven Zerrissenheit Getriebene. Dennoch hebt gerade Hadley, die mit ihrem menschlich unverbrüchlichen Zuspruch so unverzichtbar für Hemingways frühe Karriere war, dessen Verletzlichkeit, Sensibilität und Tiefgründigkeit hervor - Eigenschaften, die in den Augen späterer Kommentatoren wegen seines wilden, machohaften Lebensstils immer wieder viel zu kurz kommen.

Wenn die Ich-Erzählerin im ergreifenden Epilog dann als alte Frau nach seinem Freitod sagt, er sei "ein unvergleichlicher Freund und ein wahrer Mistkerl" gewesen, ahnt man: dieser Roman kommt dem Rätsel Ernest Hemingway um einiges näher als manche hehre Hommage. Das Alles ist bestens recherchiert und auch der Stil ist angemessen, denn hier spricht nicht der wortgewaltige Nobelpreisträger, hier spricht "Madame Hemingway".

 

# Paula McLain: Madame Hemingway (aus dem Amerikanischen von Yasemin Dincer); 456 Seiten; Aufbau Verlag, Berlin; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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