LOUIS BAYARD: "DIE GEHEIMNISSE DES SCHWARZEN TURMS"

Als König Louis XVI. und seine Gattin Marie-Antoinette im Zuge der Französischen Revolution 1793 in den Kerker, den Temple, geworfen wurden, brachte man die Kinder getrennt von ihnen auch dorthin. Unter ihnen den achtjährigen Dauphin Louis Cahrles, den Thronfolger. 1795 soll der Junge dort an Tuberkulose gestorben sein.

Nun schreibt man das Jahr 1818, Napoleon ist gefangen und die Bourbonen herrschen wieder, vertreten durch den fetten Unsympath Louis XVIII., den jüngeren Bruder des damals enthaupteten Königs. Was aber wäre, wenn der Dauphin seinerzeit gar nicht umgekommen wäre und nun als Louis XVII. den Thron für sich beanspruchen würde?!

Das ist der Ausgangspunkt von Louis Bayards Historienthriller "Das Geheimnis des schwarzen Turms". Zum unfreiwilligen Icherzähler wird darin Hector Carpentier, ein 26-jähriger angehender Arzt. In seiner Nachbarschaft kommt ein Mann namens Leblanc grausam um. Die besonderen Hintergründe sind einerseits, dass der behauptet hat, Louis XVII. lebe, und andererseits, dass ein Zettel in seiner Hosentasche gefunden wird, darauf der Name von - Carpentier!

Das hetzt dem arglosen jungen Mann nun üble Schergen auf den Hals, denn es stellt sich heraus, dass sein Vater jener Arzt war, der den Dauphin in Temple, dem berüchtigten schwarzen Turm in Paris, behandelt haben soll. Oder hat er ihn womöglich sogar mit einem raffinierten Trick in den lebensgefährlichen Wirren der Revolution aus dem Kerker geschmuggelt?

Als entscheidender Mitspieler tritt alsbald der berühmt-berüchtigte Eugene Richard Vidocq (1775-1857) auf den Plan, auf abenteuerlichem Weg vom Kleinkriminellen zum mächtigen Chef der Geheimpolizei aufgestiegen. Was nun einsetzt, strotzt vor gefährlichen Ereignissen und haarsträubenden Wendungen. Und dieser Vidocq, der noch heute den Ruf eines Vaters der modernen Kriminalsitik genießt, gebärdet sich wie eine Mischung aus Sherlock Holmes und Schimanski.

Tatsächlich spüren die Beiden einen gewissen Charles Rapskeller auf, eine bedauernswerte Gestalt, die womöglich der verschollene Prinz sein könnte. Was jedoch wirklich wahr ist und was nicht, sei hier nicht verraten, denn das Alles steuert auf ein Finale zu, das den historischen Fakten genau zu jener Hälfte gerecht wird, die bis heute und wohl auf immer im Ungewissen liegt.

Fazit: eine hinreißende Mischung aus Fakten und Fiktion mit ungemein stark gezeichneten Figuren. Erzählt ist dieses Lesevergnügen auf fast altmodische Weise, das aber deftig und lebensprall.

 

# Louis Bayard: Die Geheimnisse des schwarzen Turms (aus dem Amerikanischen von Silvia Morawetz); 415 Seiten, Klappenbroschur; Insel Verlag, Berlin; € 16,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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