JOHN UPDIKE: „DIE WITWEN VON EASTWICK"

Neben den Rabbit-Romanen war „Die Hexen von Eastwick" das herausragende Werk von John Updike (1932-2009) und zugleich war dieser Welterfolg ein Ausreißer unter seinen hinreißenden Büchern über die typischen Paarbeziehungen durchschnittlicher US-Mittelklässer. Mit den Endreißigerinnen Alexandra, Jane und Sukie taten sich darin im Städtchen Eastwick drei Frauen als Protagonistinnen zusammen zu einem wahrhaften Hexensabbat.

Dazu gehörte 1984 als schrille Emanzipationsgeschichte nicht nur, dass sie sich mit dem teuflischen Lebemann Darryl van Horne einen regelrechten Orgienmeister zulegten, die drei heißen Grazien vernaschten auch noch so ziemlich jeden verheirateten Mann, der ihnen gefiel. Als dann van Hornes Geliebte ihrem Hexentreiben zum Opfer fiel, jagten die Eastwicker die drei bereits verwitweten Furien fort.

Noch rechtzeitig vor seinem Ableben hat der fröhlich-gallige Chronist amerikanischer Befindlichkeiten diese drei Damen in seinen 23. Roman wiederbelebt. Jetzt sind sie Ende 60, alle zum zweitenmal verwitwet und so heißt dieser großartige Abgesang des Pulitzer-Preisträgers auch „Die Witwen von Eastwick". Doch diesmal brodelt das Ganze nicht voller Irrsinn und Sünde, denn nicht nur der Zahn der Zeit hat die Drei ruhiger gemacht, auch dass jede ihres Weges zog und eine zweite Ehe einging, ließ die Hexenkräfte verfliegen und eine gewisse Normalität einkehren.

Jetzt aber, wo alle drei allein sind, nehmen sie wieder Kontakt zueinander auf. Das Ganze beginnt allerdings mit Alexandras Kanada-Reise als frisch Verwitwete. Schon hier fasziniert Updike erneut mit dieser präzisen Beobachtungsgabe und dem grantigen Sarkasmus, mit dem die plötzlich Einsame mit wachen Augen an sich selbst das ohnmächtig gehasste Altwerden beobachtet. Doch da ist auch Melancholie in dieser Alterserkenntnis, „nie wieder die Häfte eines Paares zu sein."

Also nimmt sie Kontakt auf zu Jane und die Reisen der Beiden sind köstliche Abenteuer, denn zu Schabernack sind sie noch immer aufgelegt. Wenn sich dann vermeintlich eine ägyptische Mumie bewegt oder Mao in seinem Mausoleum Alexandra zublinzelt, dann sind das hinreißend lästerliche Szenen. Als sie jedoch auch zu Sukie Kontakt aufnehmen, kommt das Trio auf die verquere Idee, den Sommer am Ort der Blüte ihres Lebens zu verbringen und – es gelingt ihnen sogar, sich in ihr altes Lenox Manor einzumieten. Doch in Eastwick hat man das Dreigestirn durchaus nicht vergessen und es sind alte Rechnungen offen, die Vergebung kaum zulassen.

Die Drei spüren zudem, dass sie in Chris Gabriel, der seinerzeit eine Art Jünger van Hornes war und offensichtlich einiges von dessen magischen Kräften erlernt hat, einen gefährlichen Feind haben. Jane ist die erste, die körperlich leidet und das auf seine Machenschaften schiebt. Aber auch die Begegnungen mit ehemaligen Partnern oder Opfern verlaufen eher verstörend, denn auch die sind ja gealtert. Sie müssen erkennen, dass diese Rückkehr an den Ort früherer Höhenflüge eher schmerzlich ist, denn die Farben sind verblasst wie die Kraft und die Erlebnisfähigkeit und selbst die eigene Libido gerät mehr zu Nostalgie als zu etwas etwas Greifbarem oder gar Genießbarem.

Dennoch versuchen sie, die alten Magie noch einmal zu beschwören, noch einmal soll die Göttin ihnen Hexenkräfte verleihen, diesmal aber, um begangenes Unrecht wiedergutzumachen. Der Versuch endet recht diesseitig-tödlich für Jane und die beiden Überlebenden finden erst eine Art fatalistischer Gelassenheit wieder, als die eine nach New York und die andere zurück nach New Mexiko geht. Kontakt aber behalten sie, denn Freundschaft und die Erinnerungen sind das Einzige, das auch dem Alter widersteht, das hier so schonungslos und ganz ohne Selbstmitleid mit klaren Worten als unentrinnbarer Niedergang ins Hirn gemeißelt wird.

Updike tut das mit grandiosem Sprachzauber und manch zynischen Spitzen auch gegen die amerikanische Gesellschaft, wo die alten Damen dann über die unfassbaren Rückentwicklungen ihrer Nachkommen staunen, über deren spießige Langweiligkeit: „Es ist wie in den 50er Jahren, nur diesmal ohne die Russen als Entschuldigung". Da vermeint man gegen Ende einen Seufzer des großen freundlichen Zynikers zu hören, einen Seufzer der Wehmut, dass sein Leben zur Neige ging und dass es doch auch viele Gründe gab, sich nicht dagegen zu wehren. Fazit: Updike war nie besser und er hat seinen Millionen Fans ein wunderbares Abschiedsgeschenk gemacht.

 

# John Updike: Die Witwen von Eastwick (aus dem Amerikanischen von Angela Praesent); 413 Seiten; Rowohlt Verlag, Reinbek; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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