JONATHAN STROUD: „VALLEY – TAL DER WÄCHTER"

Die Bartimäus-Trilogie war ein internationaler Riesenerfolg für den britischen Autor Jonathan Stroud. Sein neuer Roman „Valley – Tal der Wächter" offenbart nun einen ganz anderen Schauplatz, eine gänzlich andersartige Geschichte, die in den hohen Norden Skandinaviens vor 2000 Jahren oder mehr führt. Weniger komplex als bei Bartimäus geht es diesmal zu, aber um nichts weniger mitreißend.

Alles spielt in dem titelgebenden Tal, das die ganze Welt ist, die dessen Bewohner kennen. Hier leben die Menschen in einer scheinbar idyllischen Feudalgesellschaft, die geprägt ist von den zwölf herrschenden Familien und einem seit langer Zeit geltenden Gesetz. Danach sind alle Waffen abgeschafft und wenn es zu einem Verbrechen kommt, berät darüber der Rat mit seinen Schiedsleuten und in der Regel wird nur mit dem Verlust von Besitz bestraft, selbst in schlimmen Fällen.

Dieser von vielen nicht sehr geliebte Friedenszustand hat eine mit vielen Legenden berichtete Vorgeschichte, die von blutigen Kämpfen zwischen den Familien berichtet, die erst aufhörten, als der heldenhafte Sven die Stämme zu einer gemeinsamen Schlacht gegen einen unsagbar grausamen Feind zusammenschweißte – das Volk der Trolde. Erst als man diese fast unbesiegbaren Nachtwesen, die stets gierig auf Menschenfleisch waren und sich dies immer wieder holten, vertrieben hatten, kehrten Ruhe und Wohlstand ein. Geblieben aber ist der überlieferte Bann, der auf den Bergen rund um das Tal liegt. Dort sollen die Fabelwesen noch immer lauern und jeden verschlingen, dessen sie habhaft werden können.

In diese in sich ruhende Welt wird zur Wintersonnenwende Hal geboren, zweiter Sohn von Familienoberhaupt Arnkel Svensson. Hal entwickelt sich anders als seine Vorfahren, denn er ist dunkel, gedrungen und kurzbeinig. Vor allem jedoch wird aus ihm ein energiegeladener Jüngling, der mit viel Schabernack und losem Mundwerk überall aneckt. Tatendurstig, wie er ist, gefällt ihm gar nicht, dass der Mord an seinem versoffenen Onkel Brodir nur mit einem Stück Land gesühnt werden soll. Hat Hal bis jetzt schon durch seine Streiche für manchen Ärger gesorgt, löst er nun mit seinem Alleingang zur Rache an Brodirs Mörder sogar eine seit ewigen Zeiten nicht mehr dagewesene Fehde zwischen den Häusern Svensson und Hakonsson aus.

Doch schon vorher hätte er seine verwegenen Abenteuer nicht überlebt, stünde ihm nicht die etwa gleichaltrige Aud zur Seite. Ebenso pfiffig wie wagemutig muss die kampfeslustige Tochter eines anderen Stammesoberhaupts ihn wiederholt retten und immer öfter übernimmt sie auch die Führung. Und diese Beiden brechen ein weiteres der alten Gesetze, indem sie das Tal verlassen, weil sie an den „Troldmist" nicht glauben wollen.

Welch unheimliche Begegnungen ihnen nun bevorstehen und welch dramatischen Verlauf die Fehde schließlich nimmt, soll hier nicht verraten werden. Aber fantasievoll und absolut filmreif geht es auf jeden Fall zu bis hin zum atemberaubenden Finale. Schon bis dahin jedoch hat dieses Buch den Leser unwiderstehlich gepackt mit seiner nie nachlassenden Spannung, den überaus kraftvoll gezeichneten Figuren und der hinreißenden Mischung aus deftigen Szenen, herber Ironie und schwarzem Humor. Auch der dramatische Aufbau trägt zur Klasse des Romans bei, denn jedem Kapitel ist ein Bericht aus der Vorgeschichte mit den Heldentaten Svens vorangestellt.

Nur eines muss kritisiert werden - die Altersangabe ab 10 Jahre ist inakzeptabel, denn es geht ausgesprochen rau zu in dieser archaischen Welt und brutale, blutige Kämpfe finden sich reichlich. Fazit: ein tolles Fantasy-Vergnügen, das wohltuend realistisch bleibt und für Leser ab etwa 13 aber auch für Erwachsene als großer Lesegenuss zu empfehlen ist.

 

# Jonathan Stroud: Valley – Tal der Wächter (aus dem Englischen von Katharina Orgaß); 493 Seiten; cbj, München;

€ 18,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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