STEVEN GALLOWAY: „DER CELLIST VON SARAJEWO"

Von 1992 bis 1996 wird die Stadt Sarajewo in Bosnien-Herzegowina von serbischen Soldaten und Freischärlern belagert und aus den Bergen rundherum mit Granaten und von Scharfschützen beschossen. Am 27. Mai 1992 sitzt der Cellist Vedran Smailovic am Fenster und probt. Draußen stehen die Menschen in langer Reihe an um das knappe Brot. „Dann explodiert die sichtbare Welt." Eine Mörsergranate tötet 22 Zivilisten und verwundert über 70 weitere.

Ab dem folgenden Tag beginnt Smailovic draußen mitten in der Stadt und ungeschützt vor den Heckenschützen in den Bergen Albinionis Adagio in G-Dur zu spielen. Nur dieses eine Stück an 22 Tagen hintereinander, einmal für jeden der Toten vom 27. Mai. Dieses unvergessliche Zeichen von trotziger Hoffnung und Menschlichkeit gegen das Grauen des Krieges hat der kanadische Autor Steven Galloway in den Mittelpunkt seines Romans „Der Cellist von Sarajewo" gestellt, doch es sei betont, dass es kein Porträt des realen Musikers sondern eine fiktive Geschichte ist vor der Realität des echten Geschehens.

Um drei andere Personen dreht sich dazu die ebenso packende wie beklemmende Handlung in dieser Stadt, in der jeder zum Ziel werden kann, denn die entfesselten Schergen des Belagerungsringes praktizieren geradezu lustvoll einen an Menschenverachtung und Sinnlosigkeit nicht zu überbietenden Völkermord. Da ist der schon ältere Dragan, der seine Familie fortgeschickt hat und nun in einer der wenigen noch funktionierenden Bäckereien arbeitet. Immer wieder als mögliches Zielobjekt muss sich Kenan in Gefahr begeben, um Wasser für die Familie und eine garstige Nachbarin zu beschaffen. Und immer wieder wird er Augenzeuge, wie andere ganz nah bei ihm wie die Hasen abgeknallt werden – ein jugoslawisches Roulette der besonders perversen Art.

Eine ganz andere Rolle hat dagegen die junge Frau inne, die als friedfertige Studentin Sportschützin war und nun unter dem Kampfnamen „Strijela", der Pfeil, als Scharfschützin zumindest dafür sorgen will, dass sich die Belagerer nicht zu sicher fühlen können. Sie will nur Soldaten töten und trotzdem wird sie nicht damit fertig, zur perfekten Tötungsmaschine verkommen zu sein. Das bringt sie endgültig seelisch ins Abseits, als man sie dazu abkommandiert, den Cellisten vor drohenden Heckenschützen zu beschützen. Es gelingt ihr, doch sie zahlt einen hohen Preis.

Der einsam spielende Musiker ist ein Farbtupfer von Würde und Hoffnung auf eine bessere Welt in dieser Düsternis lähmender Verzweiflung in all dem Hass, der Furcht und der Zerstörung. Der Autor gibt diesem winzigen Lichtblick mit seiner kargen spröden Sprache und den tief unter die Haut gehenden Charakterisierungen einen Hauch von Unvergesslichkeit, dem sich kein Leser dieses kleinen großartigen Antikriegsromans wird entziehen können.

# Steven Galloway: Der Cellist von Sarajewo (aus dem Englischen von Georg Schmidt); 239 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, München; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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