SALWA AL NEIMI: „HONIGKUSS"

Durch die heimliche Lektüre arabischer Erotikklassiker kommt sie auf den Geschmack, als Bibliothekarin wird sie sogar beauftragt, eine Abhandlung über diese Literatur zu verfassen, und als sie erste Affären mit verschiedenen Männern erlebt, empfindet die verheiratete Frau die kaum zu stillende Begierde als natürlich und behauptet zugleich, eine mustergültige Muslima zu sein.

Die ebenso lustvollen wie provokanten Bekenntnisse der anonymen Ich-Erzählerin sind Inhalt des kleines Romans „Honigkuss" der in Syrien geborenen Salwa Al Neimi, die seit einigen Jahren als Journalistin in Paris lebt. Die eigentliche Sensation dieses Buchs ist dabei die Offenheit, mit der die bekennende Muslima über leidenschaftlichen Sex und lustvolles arabisches Liebesleben schreibt, so dass ihr Buch zwar im Orient auf den Index kam, die dortigen Rezensenten ihm jedoch begeistert die Wirkung einer „sexuellen Intifada" bescheinigten.

Die Handlung des Romans beschränkt sich weitgehend auf die Schilderung intensiver heimlicher Stunden voller Erotik, bei denen vor allem „der Denker" höchst erregende Erinnerungen wachruft. Und die Ich-Erzählerin zeigt den Weg von der unbedarften jungen Orientalin auf, die als Bibliothekarin auf die erstaunliche Fülle solch erotischer Schriften stößt, dass sie Arabisch als die Sprache des Sex bezeichnet. Und sie zitiert immer wieder aus echten alten Schriften wie aus Ibn Sulaimans „Das Buch der Wollust". Ihr heimliches Liebesleben als verheiratete Frau erinnert dabei zuweilen an die berühmte „Lady Chatterley", nur dass diese sexhungrige Frau ungleich mehr riskiert.

Die wahre Provokation jedoch liegt nicht nur in Bekenntnissen wie „Ich vögele, also bin ich!", sondern in aufrührerischen Sätzen, die jedem halbwegs fundamentalistischen muslimischen Mann das Blut kochen lassen müssen: „Weder benötige ich eine himmlische noch eine irdische Instanz, die mir sagt, was ich tun oder lassen soll. Ebenso wenig brauche ich eine Fatwa, die mir vorschreibt, wann ich bei einem Mann liegen darf, um meine Lust zu befriedigen."

Zugleich lernen wir von dieser modernen Muslima aber auch, wie weise Sex und Erotik sein können, und es schimmert Humor durch, wenn sie den weisen Worten des hochgelehrten Scheichs Mohammad al-Nafzari folgt und den Anspruch auf die Erfüllung ihrer ureigensten Begierden in einfache Worte fasst: „Sex als Schnupperkurs, um den Duft des Paradieses zu erahnen." Fazit: man spürt, dass „Honigkuss" eine noch folgenreichere Revolution auslösen könnte, als es Oswalt Kolles Lehren einst bei uns taten, denn nirgendwo sonst sind Religion, Politik und Sex so unheilvoll eng miteinander verflochten wie im Islam.

 

# Salwa Al Neimi: Honigkuss (aus dem Arabischen von Doris Kilias); 128 Seiten; Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg;

€ 14,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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