CORNELIA FUNKE: „TINTENTOD"

Mit „Tintentod" vollendet Cornelia Funke nun die Tintenwelt-Trilogie und die weltweiten Startauflagen belegen den riesigen Erfolg dieser Geschichte um die Macht der Bücher und ihrer Wörter, die in andere Welten versetzen können. Genau das brachte eingangs den Buchbinder Mo in Schwierigkeiten, als er durch seine besonders zauberhafte Art des Vorlesens Romanfiguren in die reale Welt, aber auch Personen von hier in die Tintenwelt zu bringen vermochte.

In „Tintenblut", dem zweiten Teil, waren mittlerweile Mo, seine Frau Resa sowie Tochter Meggie, die eine Zauberzunge wie ihr Vater besitzt, so vollends in die jenseitige Welt gezogen worden, dass die Hoffnungen auf eine Rückkehr offenbar weitgehend auf Orpheus beruhten. Dieser Geselle hatte bereits in „Tintenblut" für einige Verwirrung als ähnlich zauberfähiger Vorleser gesorgt, zumal der große Dichter und Erfinder dieser Welt namens Fenoglio in seinem Eigensinn immer mehr versagte, als er durch Umschreibungen seines Buches Einfluss auf die Realität nehmen wollte.

Doch die Dinge haben sich jetzt sogar noch mehr verschlimmert, denn während Fenoglio in selbstmitleidiger Schreibblockade versinkt, hat Orpheus sogar dessen sagenumwobenes Buch an sich gebracht und schreibt es immer wieder um. Dabei entwickelt er sich mit seinen stümperhaften Fähigkeiten zu einem dämonischen Bösewicht, der mit seiner Gier und seiner Kumpanei zugunsten des grausamen Fürsten Natterkopf und dessen Statthalter, dem nicht minder widerwärtigen Hänfling, Not und Elend über die Tintenwelt bringt. Viele Männer sind den Raubzügen der fürstlichen Soldaten schon zum Opfer gefallen und Mo, der als „der Eichelhäher" zum Rächer im Stile eines Robin Hood geworden ist, kämpft gemeinsam mit dem Schwarzen Prinzen einen immer aussichtsloseren Kampf gegen die Mächte des Bösen.

Aber auch Orpheus stößt an Grenzen in der ständigen Erfindung neuer, ihm höriger Geschöpfe, denn zunehmend geraten diese außer Kontrolle. Und den guten Kräften kommt schließlich einer zur Hilfe, den die Weißen Frauen längst ins Totenreich gebracht hatten: Staubfinger, der Feuerspucker. Dennoch hätte auch er keine Chance gegen all die finsteren Gestalten, die Orpheus heraufbeschwört, und gegen Natternkopf, dem das Leere Buch zur Unsterblichkeit verhalf – so lange es denn nicht mit den drei magischen Worten beschrieben wird...

Es sind zuweilen kleine, getretene Nebenfiguren, die für einen alles entscheidenden Anstoß sorgen, um eine unentwirrbar verfahrene Situation zu einem gloriosen Ende zu führen. Es sei hier nur angedeutet, dass das große Finale der Trilogie voller Überraschungen und Dramatik steckt und noch einmal alles aufbietet, was die sprachgewaltige Autorin mit funkelnden Dialogen, Fantasie und poetischer Kraft zur erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftstellerin gemacht hat.

Nach etwas schwergängigem Anfang überzeugt auch dieser Teil der Trilogie. Wenn er trotzdem nicht ganz die virtuose Klasse seiner Vorgänger besitzt, liegt das ein wenig an der düsteren Gesamtstimmung, vor allem aber daran, dass diese faszinierenden Sprünge zwischen den Welten als charmantes Spannungsmittel fast ganz fehlen. Dennoch ist auch „Tintentod" ein Meisterwerk, das Leser von 12 bis 82 bis zur letzten Zeile zu fesseln vermag.

 

 

# Cornelia Funke: Tintentod; 768 Seiten, ill.; Cecilie Dressler Verlag, Hamburg; € 22,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: KJB 322 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de