HANNS-JOSEF ORTHEIL: „DAS VERLANGEN NACH LIEBE"

Als Hanns-Josef Ortheil vor einigen Jahren mit dem vorzüglichen Roman „Die große Liebe" ebendieser ein ebenso glaubhaftes wie unvergessliches Denkmal schuf, setzte er neue Maßstäbe für niveauvolle Liebesromane. Nun geht er noch einen Schritt weiter in der Perfektionierung der Beschreibung einer tief empfundenen und durch und durch romantischen Liebe.

Das Verlangen nach Liebe" hat Ortheil seinen neuen Roman überschrieben und der bleibt entgegen der möglichen Zweideutigkeit des Titels erneut ganz dem großen Gefühl verbunden. Niemand schwört hier der Erotik ab, doch die innigen Nächte von Johannes und Judith bleiben dem Betrachter bis auf die dezent geschilderte Auftaktnacht verborgen. Der ganz seiner Arbeit als Konzertpianist verhaftete Ich-Erzähler und die zur Professorin und Kuratorin aufgestiegene Kunsthistorikerin sind ungebunden geblieben, nachdem ein Akt von Untreue den sensiblen Musiker vor 18 Jahren in die abrupte Trennung getrieben hatte.

Außerhalb der Heimat, in Zürich, treffen sie einander eher durch Zufall und diese Szene deutet bereits das Zarte, Feingesponnene der gesamten Geschichte an: er flaniert durch die fremde Stadt und entdeckt sie unversehens, lang ausgestreckt auf den Holzplanken der Sommerterrasse eines Seebades. Und es war ihrer beider große Liebe damals, acht Jahre lang, intensiv, und all das erblüht erneut: „Endlich wieder zueinandergefunden, das ist ein großes, unvorstellbares Glück." Johannes empfindet es, Judith spricht es auch aus.

Sofort ist die alte Vertrautheit wieder da, die Seelenverwandtschaft, die so unverzichtbar ist für eine wahre, romantische Liebe. Anflüge von Eifersucht seitens seiner Managerin, mit der er gelegentlich auch außerberufliche engere Kontakte hatte, führen dabei ebenso wenig zu dramatischen Verwerfungen wie die platonisch bleibende Schwärmerei, die Judiths Assistentin Anna für den berühmten Künstler kaum verbirgt. Ortheil belässt es ganz und gar bei der großen Liebe, die die Beiden nie vergessen haben und nun mit neuem Leben erfüllen, weltenfernes Happyend inklusive.

Wenn dennoch keine Langeweile beim Leser aufkommt, liegt es an den geschickt gezeichneten Unterschieden der Charaktere des eher passiven Johannes und der lenkenden, ja, zupackenden Judith. Man kann über diese Liebesgeschichte ins Träumen geraten und der diskrete Umgang mit erotischen Fakten schürt das sogar noch. Die liebevollen Beschreibungen Zürichs und die ausführlichen kulinarischen Gegleiterlebnisse runden das Bild eines gelungenen Romans voller Sprachzauber für Freunde niveauvoller Geschichten von Liebe, Harmonie und Glück auf wohltuende Weise ab.

 

# Hanns-Josef Ortheil: Das Verlangen nach Liebe; 318 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, München;

€ 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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