GALSAN TSCHINAG:„DIE NEUN TRÄUME DES DSCHINGIS KHAN"

So außergewöhnlich wie der Roman „Die neun Träume des Dschingis Khan" ist auch dessen Autor Galsan Tschinag. Der etwa 63-Jährige ist Stammesoberhaupt der turksprachigen Tuwa in der westlichen Mongolei, doch nach seinem Germanistikstudium in Leipzig in den 60er Jahren beherrscht er unsere Sprache so exzellent, dass er seither Romane, Erzählungen und Gedichte auf Deutsch veröffentlichte und etliche Preise damit erzielte.

Sein jüngstes Buch ist keine Biographie des „All-Einzigen Khans" (etwa 1162-1227) sondern ein historisch-psychologischer Roman, der das Leben des größten Mongolenherrschers in einer fiktiven und dennoch sehr authentischen Rückschau beschreibt. Während der Belagerung einer unbedeutenden kleinen Festung unterläuft dem despotischen Reiterfürsten ein geradezu schmachvolles Missgeschick: er stürzt so unglücklich vom Pferd, dass er schwerverletzt dem Tode entgegendämmert. Neun ist die heilige Zahl der Mongolen und in neun in Rot getauchten Träumen durcheilt der sterbende Herrscher sein wild bewegtes Leben, in dem er von unzähligen Opfern gesäumt das größte Weltreich aller Zeiten eroberte.

Brillant als Feldherr und vorausschauend als Reichslenker war er von Misstrauen zerfressen, kalt bis ans Herz und in schnellen Entscheidungen auch Scharfrichter selbst über engste Vertraute bis hin zu Vater und Halbbruder. In seinen Fieberträumen versinkt er nun in dem Reigen der Erinnerungen an Krieg, Verrat, ständigem Blutvergießen und der unendlichen Einsamkeit, die eine solchermaßen ausgeübte unumschränkte Macht mit sich bringt. Selbst die Gedanken an die Jugend sind von bitteren Erkenntnissen geprägt, doch der „ozeangleiche Allesbeherrscher" erlaubt in seiner Unerbittlichkeit auch sich selbst keine Sentimentalitäten und trifft zum bewegenden Finale einen konsequenten Entschluss.

Es fesselt in jeder Zeile, mit wieviel Überzeugungskraft sich der Autor in diesen ebenso dämonischen wie vor innerer Härte an sich selbst leidenden Herrscher hineinzuversetzen vermag. Zugleich verstört die archaische Grausamkeit, die das brillante Zeit- und Lokalkolorit durchzieht. Dennoch ist dieser Roman aus einer fremdartigen Welt und einem ebensolchen Denken dank der einzigartigen Sprachgewalt Galsan Tschinags voller Faszination, denn selten erlebt man eine solche Magie der Erzählkunst, die immer wieder auch mit geradezu poetischen Sprachschöpfungen überrascht.

 

# Galsan Tschinag: Die neun Träume des Dschingis Khan; 252 Seiten; Insel Verlag, Frankfurt; € 17,80

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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